Heilmittelrichtlinie (HMR)

Lexikon zu den Begriffen der HMR

Allgemeine Krankengymnastik (KG)
Die allgemeine Krankengymnastik (KG) kann als Einzel- oder Gruppentherapie unter Zuhilfenahme "kleiner Geräte" (zum Beispiel Gymnastikband), auch im Bewegungsbad oder als KG-Atemtherapie durchgeführt werden. Indikationsbezogene Gruppentherapie kann in allen Altersstufen eingesetzt und durch die entsprechenden gruppendynamischen Prozesse speziell genutzt werden. Allgemeine KG kommt auch zur Anwendung bei Mukoviszidose/Cystischer Fibrose, hier allerdings immer nur als Einzeltherapie.

Begründungspflicht und Genehmigungspflicht
Verordnungen "außerhalb des Regelfalls" hinsichtlich der Verordnungsmengen bedürfen der besonderen medizinischen Begründung, die auf dem Verordnungsvordruck angegeben werden muss. Solche Verordnungen müssen der zuständigen Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt werden. Erst nach einer Genehmigung kann die Therapie fortgesetzt werden.

Bewegungstherapie
Hierzu gehören: Allgemeine Krankengymnastik (KG), auch in Form der KG-Atemtherapie, oder KG bei Mukoviszidose, Gerätegestützte Krankengymnastik (KG-Gerät*)), KG nach Bobath*), Vojta*), PNF*), Manuelle Therapie*), Chirogymnastik*) und Übungsbehandlung.
*) = spezielle Qualifikation erforderlich – HMR, III, Nr. 17

Chirogymnastik*)
Die Chirogymnastik hat nichts mit Chirotherapie oder Manueller Therapie zu tun. Die von Prof. Laabs entwickelte, heute noch relativ selten angewandte Therapiemethode dient als Einzeltherapie der Behandlung der Muskelketten und bindegewebigen Strukturen der Gelenkkapseln vor allem im Wirbelsäulenbereich und wird häufig mit Wärmetherapie, Klassischer Massagetherapie und Interferenzstrom-Elektrotherapie kombiniert.
*) = spezielle Qualifikation erforderlich – HMR, III, Nr. 17

Diagnostikverfahren
Die unter 19.1 bis einschließlich 19.4 in den Richtlinien aufgelisteten Diagnostikverfahren sind störungsbildabhängig für  a. die Verordnung von Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie als Eingangsdiagnostik,
b. die Verordnung bei bestimmten Störungsbildern (z.B. bei Sprachstörungen) bzw. über die Regelversorgung hinaus bei entsprechender Indikation (z.B. Stimmstörungen) erforderlich.

Eigenübungsprogramm
Im Bereich der Physikalischen Therapie findet sich häufig, insbesondere bei chronischen Krankheiten, in der 5. Spalte des Kataloges der Hinweis:
Ziel: Erlernen eines Eigenübungsprogrammes.

Dieser Hinweis löst keine eigenständige Verordnung aus, allerdings ist der Therapeut gehalten, bei solchen Indikationen dem Patienten im Rahmen seiner Behandlung ein entsprechendes Eigenübungsprogramm zu vermitteln. Der verordnende Arzt kann diese Empfehlung auch auf dem Verordnungsvordruck unter der Rubrik "ggf. Spezifizierung der Therapieziele" geben.

Eingangsdiagnostik
Die Eingangsdiagnostik ist störungsbildabhängig und dem Muster 14 entsprechend durchzuführen.

Elektrotherapie
Die Elektrotherapie umfasst folgende anerkannte therapeutische Verfahren: Anwendung galvanischer Ströme, Anwendung diadynamischer, mittelfrequenter Wechsel- ströme und Interferenzströme, hydroelektrische Teil- und Vollbäder (Stangerbad) sowie die Elektrostimulation nach Bestimmung der Reizparameter (it-Kurve).

Ergänzendes Heilmittel C
Durch die Verordnung von ergänzenden Heilmitteln sollen grundsätzlich synergistische Therapieeffekte in Bezug auf das Heilmittel A oder B erzielt werden. Einige Heilmittel sind nur als ergänzendes Heilmittel verordnungsfähig.

Ergotherapeutische Beratungen
Ergotherapeutische Beratungen zur Schul-, Arbeitsplatz-, Wohnraum- und Umfeldanpassung sind integraler Bestandteil der einzelnen ergotherapeutischen Heilmittel. Dieser Leistungsbestandteil wird häufig durch das Zusammenlegen von 2 oder 3 Therapieeinheiten direkt vor Ort zur besseren Integration des Patienten erbracht.

Erst- und Folgeverordnungen
Die Darstellung der Heilmitteltherapie als Behandlungsprozess ist eine der wesentlichen Neuerungen der vorliegenden Heilmittel-Richtlinien. Die Aufteilung eines Behandlungsprozesses in eine Erst- und Folgeverordnungen dient einerseits der Umsetzung der gesetzlichen Forderung, die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen zu regeln, und ist andererseits das Instrument einer kontinuierlichen Rückkopplung zwischen dem verordnenden Arzt und dem Leistungserbringer.

Erstverordnung
Jede neue Diagnose bedingt bei erforderlicher Heilmittelbehandlung zunächst eine Erstverordnung. Nach 12 Wochen eines behandlungsfreien Intervalls beginnt bei gleicher Diagnose (zum Beispiel bei einem Rezidiv) ein neuer Regelfall, der wiederum mit einer Erstverordnung beginnt.

Fähigkeitsstörungen
Fähigkeitsstörungen beschreiben die als Folge von Funktionsstörungen und Schädigungen auftretenden Einschränkungen von Fähigkeiten bzw. Aktivitäten oder Handlungen. Sie sind in der Ergotherapie die primär verordnungsbegründenden Störungen und werden daher dort auch unter dem Begriff der Leitsymptomatik aufgeführt.

Hausbesuch
Hausbesuche durch den Therapeuten sind an zwei Bedingungen gebunden:
a) Der Patient kann den Therapeuten aus medizinischen Gründen nicht aufsuchen und 
b) der Hausbesuch ist aus medizinischen Gründen zwingend notwendig.
Andere Gründe, wie zum Beispiel die Vermeidung einer organisatorischen Unannehmlichkeit, stellen keine Indikation für die Verordnung eines Hausbesuches dar.

Heilmittel
Während in den alten Heilmittel-Richtlinien als Heilmittel
a) die Maßnahmen der Physikalischen Therapie
b) Sprachtherapie
c) Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie)
definiert waren, werden in den neuen Richtlinien
II. a) die Maßnahmen der Physikalischen Therapie
II. b) die Maßnahmen der Podologischen Therapie
II. c) die Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und
II. d) die Maßnahmen der Ergotherapie
als Heilmittel definiert.
Ein Grund hierfür liegt in der Vielfalt der unterschiedlichen Leistungserbringer im Bereich der Sprachtherapie, indem neben den Logopäden auch zum Beispiel die Sprachheilpädagogen für die Sprech- und Sprachtherapie, nicht aber für die Stimmtherapie Leistungserbringer sind.

Heilmittel der Ergotherapie
Als vorrangige oder optionale Heilmittel der Ergotherapie können folgende Heilmittel verordnet werden:
1. motorisch-funktionelle Behandlung,
2. sensomotorisch-perzeptive Behandlung,
3. Hirnleistungstraining/neuropsychologisch orientierte Behandlung und 
4. psychisch-funktionelle Behandlung.
Als ergänzende Heilmittel können die
a) Thermotherapie und
b) Herstellung und Anpassung temporärer ergotherapeutischer Schienen
verordnet werden.

Heilmittel der Physikalischen Therapie
Die Heilmittel der Physikalischen Therapie werden eingeteilt in Massagetherapie, Bewegungstherapie, Traktionsbehandlung, Elektrotherapie, Kohlensäurebäder, Inhalationstherapie, Thermotherapie und Standardisierte Heilmittelkombinationen.

Heilmittel der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie
Stimmtherapie, Sprechtherapie, Sprachtherapie

Heilmittelkatalog
Der Heilmittelkatalog besteht aus je einem indikationsbezogenen Katalog verordnungsfähiger Heilmittel für die Bereiche Physikalische Therapie, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und Ergotherapie.

Heilmittelverordnung im Regelfall
Die Heilmittelverordnung im Regelfall bezieht sich auf die Auswahl des Heilmittels, auf das hierdurch angestrebte Therapieziel und die Verordnungsmengen im Regelfall pro Diagnose und gibt indikationsbezogene besondere Hinweise.

Heilmittelversorgung "außerhalb des Regelfalls"
Diese Regelung dient der Sicherung der Versorgung bei eher selten auftretenden individuellen Besonderheiten. Man verlässt bei der Heilmittelversorgung dann den Regelfall, wenn zum Erreichen des angestrebten Therapiezieles die im Katalog pro Diagnose angegebenen Verordnungsmengen nicht ausreichen und darüber hinaus weitere Verordnungen erforderlich werden.
Verordnungen außerhalb des Regelfalls bedürfen allerdings der medizinischen Begründung auf dem Verordnungsvordruck und der Genehmigung durch die Krankenkasse.

Heiße Rolle
Die Wärmetherapie mit einer heißen Rolle bietet vor allem im Bereich der Lungenheilkunde wesentliche Applikationsvorteile und ist bei Hausbesuchen oft die einzige Möglichkeit einer vom Therapeuten gezielt einsetzbaren Wärmebehandlung.

Hirnleistungstraining/ neuropsychologisch orientierte Behandlung
Verminderte kognitive Funktionen und die daraus resultierenden Einschränkungen von Fähigkeiten und Aktivitäten werden mit diesem ergotherapeutischen Heilmittel verbessert und erhalten.

KG nach Bobath*) oder Vojta*)
Zur Leistungserbringung dieses Heilmittels bedarf es einer speziellen Weiterbildungsqualifikation des Therapeuten. Dieses Heilmittel kann vor allem bei Kindern auch als Gruppentherapie durchgeführt werden, insbesondere bei Restzuständen von angeborenen und vor Abschluss der Hirnreife erworbenen zentralen Bewegungsstörungen.
*) = spezielle Qualifikation erforderlich – HMR, III, Nr. 17

KG nach Bobath*), Vojta*) oder PNF*)
Auch zur Leistungserbringung dieses Heilmittels bedarf es einer speziellen Qualifikation des Therapeuten. Dieses Heilmittel kann vor allem bei Kindern auch als Gruppentherapie durchgeführt werden, insbesondere bei Restzuständen von nach Abschluss der Hirnreife erworbenen zentralen Bewegungsstörungen.
*) = spezielle Qualifikation erforderlich – HMR, III, Nr. 17

KG-Atemtherapie
Die KG-Atemtherapie ist kein eigenständig bezeichnetes Heilmittel, sondern Teil der allgemeinen Krankengymnastik, da diese indikationsbezogene KG im Rahmen der normalen Ausbildung zum KG/Physiotherapeuten erlernt wird. Im Katalog der Physikalischen Therapie ist die KG-Atemtherapie vor allem bei den Erkrankungen der Bronchien und Lunge aufgeführt.

KG-Gerät*)
Hierunter versteht man eine medizinisch effektive Behandlungsmethode an speziellen medizinischen Trainingsgeräten (zum Beispiel Sequenztrainingsgeräte mit hoher Patientensicherheit) zur Verbesserung krankhafter Muskelinsuffizienz und -dysbalance, insbesondere bei chronischen Wirbelsäulenerkrankungen und posttraumatischen Zuständen oder postoperativen Eingriffen. Die spezifizierte Abbildung einer solchen Leistung macht angesichts der Tatsache Sinn, dass häufig im Anschluss an "EAP" (erweiterte ambulante Physiotherapie) oder "AOTR-Maßnahmen" (ambulante orthopädisch-traumatologische Rehabilitation) eine zielgerichtete Therapie in dieser Form fortgesetzt werden muss.
Hierdurch wird zudem sichergestellt, dass eine solche Maßnahme qualifiziert betreut und nicht mit einer Maßnahme des "Bodybuildings" verwechselt und in großen Trainingshallen ohne individuelle therapeutische Anleitung und Kontrolle erbracht wird.
*) = spezielle Qualifikation erforderlich – HMR, III, Nr. 17

KG-Mukoviszidose
Die KG-Mukoviszidose ist kein eigenständig bezeichnetes Heilmittel, sondern Teil der allgemeinen Krankengymnastik, da diese indikationsbezogene KG im Rahmen der normalen Ausbildung zum KG/Physiotherapeuten erlernt wird. Im Katalog Physikalische Therapie ist die KG-Mukoviszidose bei der entsprechenden Erkrankung so bezeichnet aufgeführt.

Kohlensäurebäder
Kohlensäurebäder haben überall dort ihren Einsatzbereich, wo eine Harmonisierung oder Verbesserung der Durchblutung benötigt wird. Kohlensäurebäder wirken gefäßerweiternd. Siehe vor allem auch unter: "Sympathische Reflexdystrophie", "Sudeck’sches Syndrom" im Katalog Physikalische Therapie.

Kombinationen von Einzelheilmitteln
Folgende Kombinationen sind zulässig:

Bei einer Funktionsstörung kann folgende Kombination eingesetzt werden:
A + C = 2 Heilmittel
B + C = 2 Heilmittel

3. Heilmittel der Physikalischen Therapie + Heilmittel d. Ergotherapie + Heilmittel der Stimm-, Sprech- u. Sprachtherapie
Hierbei müssen allerdings die jeweils gültigen unterschiedlichen Verordnungsvordrucke benutzt werden.

Kurortspezifische Heilmittel
Beispielsweise in einem Kneipp-Kurort durchgeführte Kneipp’sche Güsse gehören zu den kurortspezifischen Heilmitteln und sind daher nicht Regelungsinhalte der Heilmittel-Richtlinien nach § 92 SGB V.
Die Erbringung solcher Leistungen basiert auf Verträgen zwischen Landesverbänden der Krankenkassen und Leistungserbringern, die auf Landesebene geschlossen werden.

Leitsymptomatik
Die Leitsymptomatik ist der gängige und leicht zu handhabende Oberbegriff für die Funktionsstörungen, Schädigungen und Fähigkeitsstörungen. Erst die Definition der Leitsymptomatik macht deutlich, bei welcher Diagnose der Einsatz eines Heilmittels medizinisch zweckmäßig und wirtschaftlich ist.

Manuelle Lymphdrainage*)
Zu einer erfolgreichen manuellen Lymphdrainage gehört in der Regel auch eine entsprechende Bewegungstherapie und Kompressionsbandagierung (zum Beispiel komplexe physikalische Entstauungstherapie nach Földi). Materialien zur Kompressionstherapie – wie Wattebinden oder textilelastische Kurzzugbinden – können vom verordnenden Arzt auf den Namen des Patienten rezeptiert werden.

Manuelle Therapie*)
Zur Leistungserbringung dieses Heilmittels bedarf es einer speziellen Weiterbildungsqualifikation des Therapeuten. Sie ist nicht mit der Chirotherapie*) zu verwechseln, sondern bedient sich äußerst feiner, zumeist mobilisierender manueller Weichteiltechniken zur Behandlung reversibler Funktionseinschränkungen von Muskeln, Gelenken, Nerven und Bindegewebe. Ruckartige Impulse kommen hier nicht zur Anwendung.

Massagetherapie
Hierzu gehören: Klassische Massagetherapie (KMT), Reflexzonentherapie (RZT) in Form von Bindegewebs-(BGM), Segment-, Periost- und Colonmassage (CM), Unterwasserdruckstrahlmassage (UWM) und Manuelle Lymphdrainage (MLD).

Maßnahmen mit spezieller Qualifikation*)
Zu den Maßnahmen, die nur nach Absolvierung entsprechend qualifizierender Weiterbildungs- oder Fortbildungskurse vom Leistungserbringer erbracht werden dürfen, zählen folgende im Richtlinientext mit *) gekennzeichnete Maßnahmen: Manuelle Lymphdrainage, Chirogymnastik, KG-Gerät, KG nach Bobath, Vojta oder PNF, Manuelle Therapie.

*) = spezielle Qualifikation erforderlich – HMR, III, Nr. 17

Motorisch-funktionelle Behandlung
Die Ergotherapie ist primär darauf ausgerichtet, eingeschränkte Fähigkeiten zu behandeln. Dies erfolgt durch komplexe handlungsorientierte Methoden und Techniken. Bei der motorisch-funktionellen Behandlung kommen daher zum Beispiel spielerische, handwerkliche oder gestalterische Handlungsabläufe zur Therapie eingeschränkter motorischer Funktionen zum Einsatz, im Gegensatz zur Physikalischen Therapie, in der eher manuelle Techniken zum Erreichen des Therapiezieles eingesetzt werden.

Neue Indikationen
Der Heilmittelkatalog ist hinsichtlich der Indikationen, bei denen Heilmittel verordnet werden können, abschließend. In vielen Organbereichen sind die Diagnosen bewusst beispielhaft aufgeführt, um die arztindividuelle Diagnosebezeichnung nicht zu präformieren oder gar zu vereinheitlichen. Solche gewohnten Diagnosebezeichnungen sind dem verordnenden Arzt also auch zukünftig möglich.
"Neue Indikationen" bestehen aus neuen Diagnosen + neuer Leitsymptomatik.
Solche denkbaren Indikationen, wie zum Beispiel "akute Depression mit funktionell schmerzhaften Störungen der Verdauungsorgane", die sich im Katalog derzeit nicht finden, allerdings nachweislich (nach Vorgabe der Anlage 2 der Richtlinien) mit einer Heilmitteltherapie behandelt werden könnten, können dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zur Überprüfung angezeigt werden.
Durch die variablen Möglichkeiten, auf dem Verordnungsvordruck Hinweise zu gleichzeitig vorliegenden Begleit- bzw. Hauptdiagnosen zu geben und Spezifizierungen des Therapiezieles zu benennen, verbleibt dem Arzt allerdings nahezu immer die Möglichkeit, seine Zielsetzung mit der Rezeptur entsprechend zu erreichen.

Nicht zulässige Kombinationen
Folgende Kombinationen sind nicht möglich

1. Kombination A + B, 
2. Kombination einer standardisierten Heilmittelkombination D + A oder B oder C.

Optionales Heilmittel B
Optionale Heilmittel können (ohne spezifische Begründung) alternativ zum vorrangigen Heilmittel verwendet werden. Dies insbesondere dann, wenn aus der in der Person des Patienten liegenden Gründen das eigentlich indikationsbezogene vorrangige Heilmittel A nicht eingesetzt werden kann.
Beispiel: Klassische Massagetherapie (Heilmittel A) ist aufgrund einer Hauterkrankung nicht möglich, daher Verordnung von Unterwassermassage (Heilmittel B) als optionales Heilmittel.
Auch wenn ein Leistungserbringer zur Durchführung eines vorrangigen Heilmittels nicht wohnortnah zur Verfügung steht oder beispielsweise eine besondere Patienten-Therapeuten-Beziehung zu einem anderen Leistungserbringer besteht (der das vorrangige HM nicht erbringen darf - allerdings das optionale HM qualifiziert erbringen kann), kann der Arzt aus patientenbezogenen Gründen ein optionales Heilmittel B verordnen.
Beispiel: Bei Erkrankungen des Rückenmarks ist das HM "KG nach Bobath oder Vojta" vorrangig. Im Wohnort des Patienten gibt es allerdings keinen Therapeuten/keine Therapeutin, der oder die diese Qualifikationsleistung erbringen kann. In diesem Fall kann der Arzt als optionales Heilmittel "KG" verordnen.
Diese Regelung dient primär der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung.

Partnerschaftsmodell
Das Partnerschaftsmodell beinhaltet das Abstimmungsverfahren zur Umsetzung gesetzlicher Regelungen in Form von Richtlinien und Rahmenempfehlungen zu unterschiedlichen Leistungsbereichen.
Die Heilmittel-Richtlinien nach § 92 SGB V werden zwischen Ärzten und Spitzenverbänden der Krankenkassen im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen unter Berücksichtigung der Anhörung der Leistungserbringer erstellt. Die Rahmenempfehlungen nach § 125 SGB V werden zwischen den Leistungserbringern und den Spitzenverbänden der Krankenkassen unter Berücksichtigung der Anhörung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erstellt.

Psychisch-funktionelle Behandlung
Die psychisch-funktionelle Behandlung hat nichts mit Psychotherapie im eigentlichen Sinne zu tun. Nicht verbale oder verhaltenstherapeutische Interventionen, sondern handlungsorientierte Techniken zur Verbesserung der Selbstversorgung, der Realitätsbezogenheit, der Tagesgestaltung und Beziehungsfähigkeit sowie zur Verbesserung des situationsgerechten Verhaltens werden hier als therapeutische Mittel eingesetzt.

Regelbehandlungszeiten
In den Rahmenempfehlungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen sind für die Bereiche der Physikalischen Therapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und der Ergotherapie unterschiedliche Regelbehandlungszeiten definiert.
Zum Teil gibt es auch unterschiedliche Behandlungszeiten für dieselbe Maßnahme. Daher findet man im Verordnungsvordruck Muster 14 (Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie) auch die Möglichkeit zur Angabe der Therapiedauer pro Sitzung.
Die Regelbehandlungszeiten und die entsprechenden Vergütungssätze der unterschiedlichen Heilmittel müssen von den Landesverbänden der Krankenkassen den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung gestellt werden. Diese wiederum stellen diese Informationen den verordnenden Ärzten zur Verfügung (ggf. auf Anfrage).

Regelfall
Der "Regelfall" ist das Instrument, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Heilmittelversorgung zu gestalten.
Er ist die Antwort auf die Fragen:
Welches Heilmittel ist bei den unterschiedlichen Indikationen anzuwenden? und Wie müssen die Verordnungsmengen bemessen werden, um das angestrebte Therapieziel zu erreichen?
Die Entwicklung des definierten Regelfalls basiert auf der Vorstellung, dass die große Vielfalt der individuellen Ausprägungen von Krankheiten prinzipiell nicht durch Richtlinien und einen Katalog abgebildet werden können. Allerdings lässt sich hinsichtlich der Auswahl der Heilmittel und der Verordnungsmengen je Diagnose ein Regelfall definieren, der sich an den in der Praxis gewonnenen Erfahrungswerten orientiert.

Rezidive/ neue Erkrankungsphasen
Durch diese Regelung wird klar, dass die Heilmittelverordnung im Regelfall nicht an Begriffen wie Behandlungsfall (GKV) oder Krankheitsfall (PKV) festgemacht wurde. Vielmehr berücksichtigt diese Regelung die medizinische Realität, dass Erkrankungen einen phasenförmigen Verlauf haben können und andererseits Krankheitsrezidive allzu oft den ärztlichen Alltag bestimmen.

Schluckakt
Schluckstörungen treten zumeist nicht isoliert auf, sondern sind häufig begleitende spezifische Störungen bei zentralen Erkrankungen oder nach Unfällen bzw. Operationen. Sie können in Verbindung mit Stimm-, Sprech- und/oder Sprachstörungen auftreten.

Schluckstörungen
Schluckstörungen treten zumeist nicht isoliert auf, sondern sind häufig begleitende spezifische Störungen bei Patienten mit Stimm-, Sprech- und/oder Sprachstörungen und werden daher hier mit aufgeführt.

Sensomotorisch-perzeptive Behandlung
Diese ergotherapeutische Behandlung zur Verbesserung sensomotorischer und wahrnehmender Funktionen ist statistisch die häufigste ergotherapeutische Behandlungsmethode. Zu ihr gehören auch zum Beispiel integrative Behandlungsstategien und -techniken.

Sonderpädagogische/ heilpädagogische Maßnahmen
Störungsbildspezifische sonderpädagogische/heilpädagogische Maßnahmen gehören grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der GKV (siehe Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und Ergotherapie).

Dieser Richtlinienpassus dient einer zukünftigen klareren Abgrenzbarkeit der Zuständigkeiten der Leistungsgewährung durch die unterschiedlichen Leistungsträger.
Medizinische Indikationen bedingen die Leistungspflicht der GKV, pädagogische Indikationen die Leistungspflicht zum Beispiel staatlicher Institutionen.

Sprachtherapie
Die Sprachtherapie dient der Wiederherstellung, Besserung und dem Erhalt der sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten (z.B. bei Aphasie, Artikulationsstörungen, Sprachentwicklungsstörungen).

Sprachtherapie bei auditiven Wahrnehmungsstörungen
Die Sprachtherapie ist bei dieser Indikation nur nach Bestätigung des Störungsbildes aufgrund von entsprechender zentraler Hördiagnostik und neuropsychologischer Untersuchung verordnungsfähig.

Sprechtherapie
Die Sprechtherapie dient der Wiederherstellung, Besserung und dem Erhalt der koordinierten motorischen und sensorischen Sprechleistung (z.B. Stottern, Poltern, Dysarthrie).

Standardisierte Heilmittelkombinationen D
Diese Heilmittelkombinationen sind physikalisch-therapeutische Komplexleistungen, die zur Anwendung kommen, wenn eine Intensivbehandlung bei Vorliegen von mehreren unterschiedlichen Funktionsstörungen indikationsbezogen benötigt wird.
Indikationen, bei denen standardisierte Heilmittelkombinationen verordnet werden können, findet man im Heilmittelkatalog "Physikalische Therapie" in der 4. Spalte unter den Buchstaben D1.
Die Komplexleistung muss hierbei unter einem Dach erfolgen und kann höchstens bis zu 10 Mal je Diagnose - auch verteilt auf Erst- oder Folgeverordnung - durchgeführt werden.
Zusätzlich zu einer standardisierten Heilmittelkombination kann kein anderes Einzelheilmittel verordnet werden; es sei denn, es handelt sich um ein Heilmittel der Ergotherapie oder der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie.

Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie
Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie entfalten ihre Wirkung auf phoniatrischen und neurophysiologischen Grundlagen und dienen dazu, die Kommunikationsfähigkeit, die Stimmgebung, das Sprechen, die Sprache und den Schluckakt bei krankheitsbedingten Störungen wieder herzustellen, zu verbessern oder eine Verschlimmerung zu vermeiden.

Stimmtherapie
Die Stimmtherapie dient der Wiederherstellung, Besserung und Erhaltung der Stimme.

Temporäre ergotherapeutische Schienen
Dieses ergotherapeutische "Heilmittel" kann nur ergänzend zur motorisch-funktionellen und sensomotorisch-perzeptiven Behandlung verordnet werden. Temporäre ergotherapeutische Schienen werden von den Ergotherapeuten zur Unterstützung der Behandlung hergestellt, individuell angepasst und zeitbegrenzt im Rahmen der oben genannten Behandlungen benötigt. Sie ersetzen somit nicht die von der Orthopädie-Technik angebotenen und als Hilfsmittel ärztlich verordnungsfähigen Schienen und Orthesen.

Thermotherapie
Sie umfasst die Wärme- und Kältetherapie in Form von zum Beispiel Kaltpackungen, Kaltgas und Kaltluft, Heißluft, heißer Rolle, Ultraschall-Wärmetherapie, Moor-, Fango-, Schlick- oder Paraffin-Packungen, Voll- und Teilbädern mit Peloiden/Paraffin.
Bis auf wenige Ausnahmen, die im Katalog Physikalische Therapie gekennzeichnet sind, kann Wärme- oder Kältetherapie nur als synergistisch wirkendes ergänzendes Heilmittel C verordnet werden. Dies vor allem in der Kombination mit KG, Manueller Therapie, Übungsbehandlung, Chirogymnastik, Massagetherapie und Traktionsbehandlung sowie mit den ergotherapeutischen Heilmitteln "motorisch-funktionelle Behandlung" und "sensomotorisch-perzeptive Behandlung".

Traktionsbehandlung
Im Gegensatz zu den alten HMR wird nun diese Leistung an spezielle, zumeist computergesteuerte Zugvorrichtungen gekoppelt. Insbesondere kann dieses Heilmittel eingesetzt werden zur gezielten Entlastung discoligamentärer Strukturen der Wirbelsäule oder zur Entlastung schmerzhaft aktivierter Arthrosen der großen Gelenke.

Übungsbehandlung
Die Übungsbehandlung wird als Einzel- oder Gruppentherapie auch im Bewegungsbad durchgeführt, wobei der Leistungserbringer zumeist ein Masseur und/oder medizinischer Bademeister ist.

Ultraschall-Wärmetherapie
Diese Form der Wärmetherapie tiefergelegener Gewebsschichten wurde im Rahmen von Bestandsschutzregelungen in den neuen Bundesländern schon immer als Form der Wärmetherapie von den Krankenkassen vergütet, in den alten Ländern von den Therapeuten flächendeckend erbracht. Dieses Heilmittel hat nichts mit der ärztlichen Leistung der Ultraschall-Diagnostik zu tun.

Verordnung verliert Gültigkeit
Eine Heilmittelverordnung verliert ihre Gültigkeit:
1. Wenn die HM-Behandlung nicht innerhalb von 10 Tagen (Physikalische Therapie) bzw. innerhalb von je 14 Tagen (Ergotherapie oder Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie) begonnen wurde, es sei denn, auf dem Verordnungsvordruck wird ein anderer späterer Behandlungsbeginn angegeben.

2.Wenn die HM-Behandlung länger als 10 Tage (Physikalische Therapie) oder länger als je 14 Tage (Ergotherapie oder Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie) unterbrochen wird.

Verordnungsmengen
Im Heilmittel-Katalog findet man jeweils in der 5. Spalte Angaben zur Verordnungsmenge je Diagnose.
Von Bedeutung ist, dass die Verordnungsmengen sich auf die Diagnose beziehen und nicht auf ggf. während des Behandlungsverlaufes wechselnde Funktions- oder Fähigkeitsstörungen.
Ergibt sich im Verlauf einer Behandlung eine nicht unerhebliche Änderung ggf. sogar der Diagnose und der Leitsymptomatik, so ist die Behandlung zu unterbrechen und ggf. eine neue Verordnung oder aber eine vollständige Änderung des Therapieplanes durch den Arzt vorzunehmen.
In solchen Fällen informiert der Therapeut den verordnenden Arzt umgehend.

Vollständige Ausfüllung der Vordrucke
Vollständig ausgefüllte Vordrucke enthalten mindestens die im folgenden "fett" markierten Angaben auf dem Verordnungsvordruck:
1. die Art der Verordnung (Erstverordnung oder Folgeverordnung),

2. ggf. den späteren Zeitpunkt des Therapiebeginns, 

3. die Durchführung der Therapie als Hausbesuch (ja oder nein) und die Kennzeichnung einer gewollten Gruppenbehandlung,

4. Kennzeichnung einer Verordnung außerhalb des Regelfalls,

5. die Verordnungsmenge und ggf. die Therapiefrequenz (Anzahl pro Woche),

6. die Heilmittel nach Maßgabe des Kataloges,

7. die Indikation (Diagnose + Leitsymptomatik),

8. ggf. wesentliche Befunde, zum Beispiel auch das Krankheitsstadium unter Angabe des Körperteils/der Körperregion oder für die Behandlung relevanter Vor- und Begleiterkrankungen,

9. ggf. die Spezifizierung der Therapieziele,

10. ggf. die erforderlichen medizinischen Begründungen bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls,

11. Stempel/ Unterschrift.

Vordrucke
Die Umsetzung der neuen Heilmittel-Richtlinien in der Praxis ist nur möglich durch die Gestaltung neuer Verordnungsvordrucke, getrennt nach Physikalischer Therapie (Nr. 13) und Ergotherapie (Nr. 18) in DIN A 5-Format und Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie (Nr. 14) in gewohntem DIN A 4-Format.

Die Vordrucke dienen einerseits einer verbesserten Dokumentation des Prozesses der Heilmitteltherapie und damit auch der Dokumentation des Versorgungsbedarfes, andererseits sind sie das Instrument zur interdisziplinären Kooperation.

Vorrangiges Heilmittel A
Mit dem vorrangigen Heilmittel A wird jenes HM bezeichnet, mit welchem bei einer definierten Funktionsstörung das Therapieziel am häufigsten/ehestens erreichbar erscheint.

Weiterführende Diagnostik
Die weiterführende Diagnostik ist störungsbildabhängig erforderlich, wenn das individuell angestrebte Therapieziel nicht erreicht wurde.
Die Entscheidung, welche Verfahren aus der weiterführenden Diagnostik zur Anwendung kommen, liegt beim behandelnden Vertragsarzt.

Zusammenarbeit
Wesentliches Element der neuen Heilmittel-Richtlinien ist die organisierte interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verordnendem Vertragsarzt und ausführendem Therapeuten.
Im einzelnen handelt es sich um klare Regelungen hinsichtlich

  • des Beginns der Heilmittelbehandlung,
  • der Häufigkeit der pro Woche durchzuführenden Maßnahmen,
  • Regelungen zu Änderungen dieser ärztlich empfohlenen Therapiefrequenz,
  • der möglichen Therapieunterbrechungszeiträume,
  • des Inhaltes des Therapieplanes und 
  • auf Wunsch eine schriftlichen Mitteilung nach Abschluss der Therapie.

Dieses Lexikon beruht auf dem Glossar, welches von der KBV erarbeitet wurde. Es wurde an die Version vom 16.3.2004 angepasst.
Stand: 16.3.2004