Am 3.11.2020 berichteten wir unter dem Titel "Was wird aus den Modellstudiengängen?" von der geplanten Verlängerung der Modellklausel bei den primär qualifizierenden Studiengängen für Therapeuten. Lesen Sie heute dazu die Pressemeldung des HVG vom selbigen Tage.
Reform der Berufsgesetze der Therapieberufe auf der langen Bank? Verlängerung der Modellklausel ohne Reform der Berufsgesetze gefährdet die Modellstudiengänge
Durch eine Bitte um Stellungnahme an die Verbände im Berufsfeld der Therapieberufe ist bekannt geworden, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) plant, die Modellklausel in den Berufsgesetzen der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie um weitere fünf Jahre zu verlängern. Die Verlängerung ist versteckt in dem Referentenentwurf eines sogenannten Omnibusgesetzes mit dem Namen „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsentwicklungsgesetz – GVWG)“. Unter Abschnitt II.26 auf S. 49 heißt es im Wortlaut:
„Die Modellklauseln zur Erprobung von akademischen Ausbildungsangeboten in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie werden bis Ende 2026 verlängert. Derzeit sind sie bis Ende 2021 befristet. Die Verlängerung ermöglicht den Ländern, gewachsene Strukturen akademischer Erstausbildungen zunächst fortzuführen. Die bestehenden Modellstudiengänge können gegebenenfalls ein wichtiger Baustein sein, um reguläre akademische Ausbildungsangebote aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung der Modellklauseln Voraussetzung für eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung, ob und wenn ja in welcher Ausgestaltung die jeweilige Ausbildung in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie akademisiert werden soll.“
Natürlich müssen die gewachsenen Strukturen akademischer Erstausbildungen fortgeführt werden. Natürlich müssen die bestehenden Modellstudiengänge ein wichtiger Baustein für den Aufbau regulärer akademischer Ausbildungsangebote sein. Aber es handelt sich doch hier nicht um eine Verlängerung der Modellphase kurz nach deren Beginn. Es handelt sich hier bereits um die zweite Verlängerung, nachdem von 2017-2021 die Modellphase schon einmal trotz positiver Evaluationen verlängert wurde.
Dass seitens der zuständigen Ministerien in Bund und Ländern weder die Mittel für eine externe Evaluation bewilligt wurden, noch der Prozess der Evaluation rational und zwischen Bund, Ländern und nachgeordneten Behörden abgestimmt gehandhabt wurde, wird jetzt möglicherweise zum Fallstrick für die Modellstudiengänge und zum Rückschlag für die Akademisierung der Therapieberufe insgesamt und damit auch für die Grundlagen einer zeitgemäßen und an den aktuellen und zukünftigen Bedarfen orientierten evidenzbasierten Versorgung. Eine Verlängerung der Modellklausel ermöglicht in der aktuellen Situation eben nicht, die gewachsenen Strukturen akademischer Erstausbildungen zunächst fortzuführen, sondern gefährdet diese Strukturen.
Die Begründung der Verlängerung der Modellklausel orientiert sich daran, dass eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung ermöglicht werden soll, ob und wenn ja in welcher Ausgestaltung die jeweilige Ausbildung in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie akademisiert werden soll. Genau dies ist aber nicht der Fall, wenn nicht noch in dieser Legislaturperiode eine Reform der Berufsgesetze realisiert wird oder zumindest eine wirtschaftliche Gleichstellung der (berufs-) fachschulischen Ausbildungen und der hochschulischen Ausbildungen erfolgt. Denn es muss klar sein: Angesichts der an sich begrüßenswerten Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung für die Schüler*innen und Auszubildenden in den (Berufs-)fachschulen auf der einen Seite und den Semesterbeiträgen und an privaten Hochschulen teils sehr hohen Studiengebühren für Studierende der Modellstudiengänge auf der anderen Seite, kann von einer interessen- und fähigkeitsgeleiteten Entscheidung für den einen oder den anderen Ausbildungsweg nicht mehr die Rede sein. Auch die Perspektive, dass die finanzielle Durststrecke im Studium durch einen späteren besseren Verdienst kompensiert wird, ist im deutschen Gesundheitssystem so gut wie nicht gegeben. Die Entscheidung für einen bestimmten Bildungsweg wird durch die ungleichen finanziellen Anreize nunmehr völlig verzerrt.
Es ist zu befürchten, dass die Modellstudiengänge in den fünf Jahren einer weiteren – sachlich völlig unbegründeten – Verlängerung der Modellklausel so ausbluten, dass sie in Ermangelung von Studierenden einfach abgeschafft werden könnten. Damit würde der Akademisierungsprozess um Jahrzehnte zurückgeworfen.
Wenn dies nicht das Ziel der Politik ist, dann müssen die Modellstudiengänge noch in dieser Legislaturperiode in ein Regelangebot überführt und der Ausbau hochschulischer Studiengänge auf bundesgesetzlicher Grundlage bis zur Vollakademisierung in 10-15 Jahren vorangetrieben werden. Bis die Vollakademisierung faktisch erreicht ist, müssen die primärqualifizierenden Studiengänge zudem den (berufs-)fachschulischen Ausbildungen hinsichtlich der finanziellen Attraktivität gleichgestellt werden.
Modellstudiengänge, Modellphasen und Modellprojekte sind dazu da, neue Lösungen für offene Fragen der Praxis auszuprobieren. Wer solche politischen Instrumente benutzt, um Entscheidungen aufzuschieben, nachdem die neuen Lösungen erprobt und erfolgreich evaluiert wurden, missbraucht diese Instrumente und destabilisiert in diesem Fall die hochschulische Ausbildungspraxis in den Therapieberufen.
Die Strategien sind längst entwickelt und die Argumente ausgetauscht – allein in der Lobby der Politik ist es viel zu still! Der HVG fordert die Umsetzung der Reform der Berufsgesetze im Sinne einer Vollakademisierung noch in dieser Legislaturperiode.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto
Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe e.V., 1. Vorsitzender
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst,
Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
Goschentor 1, D-31134 Hildesheim
Lesen Sie auch: Das von den größten Berufsverbänden mit unterzeichnete Strategiepapier von HVG und VAST, das datengestützt und differenziert die Notwendigkeit und Machbarkeit einer ‚Vollakademisierung‘ in einer Übergangszeit von 10-15 Jahren beschreibt.Passend dazu ein Kommentar von Prof. Dr. Heidi Höppner von Alice Salomon Hochschule Berlin
Warum Akademisierung!
Wie erreicht man Akademisierung!
Das ist ja anscheinend geklärt.
Wie kommt es zu der Verzögerung?
Status Quo Geilheit?
Kosten?
Faulheit?
Es wird an Entscheidern hängen, die vielleicht mithilfe einer Klage übergangen werden können?!
Ob selbst eine erfolgreiche Klage beschleunigen würde sollte bedacht werden.
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Ich hoffe Mal das es bei den negativen Bewertungen um Förmlichkeit geht.
Wenn Physiotherapeuten gegen Akademisierung sind....
Das es hauptsächlich Physiotherapeuten sind die hier aktiv sind, ist natürlich eine Unterstellung.
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Philipp Morlock schrieb:
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Philipp Morlock schrieb:
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Wenn das kostenpflichtige Bildungsangebot der privaten Hochschulen nicht konkurrenzfähig ist passiert einfach Marktwirtschaft. Die Studiengänge haben bisher keinen Mehrwert in und nach der Ausbildung zeigen können. Dass die Länder jetzt nochmal locker fünf Jahre brauchen werden um das Strategiepapier umzusetzen ist klar. Der größte Knackpunkt wird die geplante Finanzierung durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz.
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Wenn das kostenpflichtige Bildungsangebot der privaten Hochschulen nicht konkurrenzfähig ist passiert einfach Marktwirtschaft. Die Studiengänge haben bisher keinen Mehrwert in und nach der Ausbildung zeigen können. Dass die Länder jetzt nochmal locker fünf Jahre brauchen werden um das Strategiepapier umzusetzen ist klar. Der größte Knackpunkt wird die geplante Finanzierung durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz.
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PT-Morris schrieb:
Wenn das kostenpflichtige Bildungsangebot der privaten Hochschulen nicht konkurrenzfähig ist passiert einfach Marktwirtschaft. Die Studiengänge haben bisher keinen Mehrwert in und nach der Ausbildung zeigen können. Dass die Länder jetzt nochmal locker fünf Jahre brauchen werden um das Strategiepapier umzusetzen ist klar. Der größte Knackpunkt wird die geplante Finanzierung durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz.
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Reform der Berufsgesetze der Therapieberufe auf der langen Bank? Verlängerung der Modellklausel ohne Reform der Berufsgesetze gefährdet die Modellstudiengänge
Durch eine Bitte um Stellungnahme an die Verbände im Berufsfeld der Therapieberufe ist bekannt geworden, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) plant, die Modellklausel in den Berufsgesetzen der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie um weitere fünf Jahre zu verlängern. Die Verlängerung ist versteckt in dem Referentenentwurf eines sogenannten Omnibusgesetzes mit dem Namen „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsentwicklungsgesetz – GVWG)“. Unter Abschnitt II.26 auf S. 49 heißt es im Wortlaut:
„Die Modellklauseln zur Erprobung von akademischen Ausbildungsangeboten in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie werden bis Ende 2026 verlängert. Derzeit sind sie bis Ende 2021 befristet. Die Verlängerung ermöglicht den Ländern, gewachsene Strukturen akademischer Erstausbildungen zunächst fortzuführen. Die bestehenden Modellstudiengänge können gegebenenfalls ein wichtiger Baustein sein, um reguläre akademische Ausbildungsangebote aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung der Modellklauseln Voraussetzung für eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung, ob und wenn ja in welcher Ausgestaltung die jeweilige Ausbildung in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie akademisiert werden soll.“
Natürlich müssen die gewachsenen Strukturen akademischer Erstausbildungen fortgeführt werden. Natürlich müssen die bestehenden Modellstudiengänge ein wichtiger Baustein für den Aufbau regulärer akademischer Ausbildungsangebote sein. Aber es handelt sich doch hier nicht um eine Verlängerung der Modellphase kurz nach deren Beginn. Es handelt sich hier bereits um die zweite Verlängerung, nachdem von 2017-2021 die Modellphase schon einmal trotz positiver Evaluationen verlängert wurde.
Dass seitens der zuständigen Ministerien in Bund und Ländern weder die Mittel für eine externe Evaluation bewilligt wurden, noch der Prozess der Evaluation rational und zwischen Bund, Ländern und nachgeordneten Behörden abgestimmt gehandhabt wurde, wird jetzt möglicherweise zum Fallstrick für die Modellstudiengänge und zum Rückschlag für die Akademisierung der Therapieberufe insgesamt und damit auch für die Grundlagen einer zeitgemäßen und an den aktuellen und zukünftigen Bedarfen orientierten evidenzbasierten Versorgung. Eine Verlängerung der Modellklausel ermöglicht in der aktuellen Situation eben nicht, die gewachsenen Strukturen akademischer Erstausbildungen zunächst fortzuführen, sondern gefährdet diese Strukturen.
Die Begründung der Verlängerung der Modellklausel orientiert sich daran, dass eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung ermöglicht werden soll, ob und wenn ja in welcher Ausgestaltung die jeweilige Ausbildung in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie akademisiert werden soll. Genau dies ist aber nicht der Fall, wenn nicht noch in dieser Legislaturperiode eine Reform der Berufsgesetze realisiert wird oder zumindest eine wirtschaftliche Gleichstellung der (berufs-) fachschulischen Ausbildungen und der hochschulischen Ausbildungen erfolgt. Denn es muss klar sein: Angesichts der an sich begrüßenswerten Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung für die Schüler*innen und Auszubildenden in den (Berufs-)fachschulen auf der einen Seite und den Semesterbeiträgen und an privaten Hochschulen teils sehr hohen Studiengebühren für Studierende der Modellstudiengänge auf der anderen Seite, kann von einer interessen- und fähigkeitsgeleiteten Entscheidung für den einen oder den anderen Ausbildungsweg nicht mehr die Rede sein. Auch die Perspektive, dass die finanzielle Durststrecke im Studium durch einen späteren besseren Verdienst kompensiert wird, ist im deutschen Gesundheitssystem so gut wie nicht gegeben. Die Entscheidung für einen bestimmten Bildungsweg wird durch die ungleichen finanziellen Anreize nunmehr völlig verzerrt.
Es ist zu befürchten, dass die Modellstudiengänge in den fünf Jahren einer weiteren – sachlich völlig unbegründeten – Verlängerung der Modellklausel so ausbluten, dass sie in Ermangelung von Studierenden einfach abgeschafft werden könnten. Damit würde der Akademisierungsprozess um Jahrzehnte zurückgeworfen.
Wenn dies nicht das Ziel der Politik ist, dann müssen die Modellstudiengänge noch in dieser Legislaturperiode in ein Regelangebot überführt und der Ausbau hochschulischer Studiengänge auf bundesgesetzlicher Grundlage bis zur Vollakademisierung in 10-15 Jahren vorangetrieben werden. Bis die Vollakademisierung faktisch erreicht ist, müssen die primärqualifizierenden Studiengänge zudem den (berufs-)fachschulischen Ausbildungen hinsichtlich der finanziellen Attraktivität gleichgestellt werden.
Modellstudiengänge, Modellphasen und Modellprojekte sind dazu da, neue Lösungen für offene Fragen der Praxis auszuprobieren. Wer solche politischen Instrumente benutzt, um Entscheidungen aufzuschieben, nachdem die neuen Lösungen erprobt und erfolgreich evaluiert wurden, missbraucht diese Instrumente und destabilisiert in diesem Fall die hochschulische Ausbildungspraxis in den Therapieberufen.
Die Strategien sind längst entwickelt und die Argumente ausgetauscht – allein in der Lobby der Politik ist es viel zu still! Der HVG fordert die Umsetzung der Reform der Berufsgesetze im Sinne einer Vollakademisierung noch in dieser Legislaturperiode.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto
Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe e.V., 1. Vorsitzender
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst,
Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
Goschentor 1, D-31134 Hildesheim
E-Mail: vorstand@hv-gesundheitsfachberufe.de
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Passend dazu ein Kommentar von Prof. Dr. Heidi Höppner von Alice Salomon Hochschule Berlin
AkademisierungModellstudiengängeBMGGesetzPressemeldungASHHöppner
Wie erreicht man Akademisierung!
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