Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und
schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C
Anlage 1
Empfehlungen zur kriterienbezogenen Dauer der Kostenbewilligung bei stationären neurologischen Rehabilitationsmaßnahmen von Patienten mit schweren und schwersten neurologischen Erkrankungen in der Phase C
vom 9. November 1998
Inhalt:
Vormerkungen
- Aktuelle Probleme
- Empfehlungen zur ersten Kostenzusage bei Patienten der Phase C
- Reihenfolge der einzelnen Phasen der neurologischen Rehabilitation
- Kriterienbezogene Fallgruppen in der Phase C
- Neurologische Rehabilitation nach Krankenhausbehandlung bis zu 18 Monate nach Akutereignis
- Neurologische Rehabilitation nach mehr als 18 Monate zurückliegendem Akutereignis
- Neurologische Rehabilitation bei chronisch fortschreitenden neurologischen Erkrankungen bei vorhandenem Rehabilitationspotential
- Behandlungsdauer bei den Fallgruppen
- Neurologische Rehabilitation nach Krankenhausbehandlung bis zu 18 Monate nach Akutereignis
- Neurologische Rehabilitation nach mehr als 18 Monate zurückliegendem Akutereignis oder bei chronisch fortschreitenden neurologischen Erkrankungen
- Übersicht über die medizinisch notwendige Behandlungsdauer bei den Fallgruppen in der Phase C
- Beendigung der Phase C
- Geriatrische Rehabilitation
Vorbemerkungen
Die neurologische Rehabilitation von Patienten der Phase C, aber auch der anderen Phasen, besonders der Phase D, stellt an die durchführende Einrichtung hohe Anforderungen. Eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Erbringung der Rehabilitationsleistungen ist nur in darauf spezialisierten, ausgewiesenen neurologischen Reha-Fachkliniken sichergestellt.
Grundlage der folgenden Ausführungen sind die „Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C“ der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) vom 02. November 1995.
Nach Ziffer 3.2.5 dieser Empfehlungen benötigt man in der Phase C folgende Behandlungs-/Rehabilitationszeiten:
-
– In der Regel 8-wöchige
Beobachtungs- und Rehabilitationsphase zur Klärung des
Rehabilitationspotentials
– bis zu 6 Monate, bei besonderer medizinischer Indikation und günstiger Prognose auch länger
– Abbruch der Phase C, wenn über mindestens 8 Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist. Im begründeten Einzelfall kann die Behandlung auch über einen längeren Zeitraum unter Berücksichtigung der bisherigen Behandlungsdauer fortgesetzt werden. Bei Kindern kann ein wesentlich längerer Zeitraum als 8 Wochen erforderlich sein.
1. Aktuelle Probleme
Im Bereich der neurologischen
Rehabilitation ist es durch die Neufassung der §§ 40 Abs. 3 Satz 1
SGB V und 15 Abs. 3 SGB VI („3-Wochen-Re-geldauer“ medizinischer
Rehabilitationsmaßnahmen) zu einer Entwicklung gekommen, die die
Qualität der stationären neurologischen Rehabilitation gefährden
und in unproduktiver Weise Ressourcen binden kann:
– Die primär auf 3 Wochen beschränkte
Kostenzusage impliziert häufig, daß die Entscheidung zur Verlängerung
und Formulierung des Verlängerungsantrages bereits zum Ende der
ersten Behandlungswoche erfolgen muß. Dies führt zu wenig
fundierten Aussagen über Rehabilitationsdiagnosen und
Rehabilitationsziele und stellt eine erhebliche Arbeitsbelastung
der Klinikärzte, Sachbearbeiter der Krankenkassen und Gutachter
beim Medizinischen Dienst dar.
– Es besteht die Gefahr, daß gerade neurologisch schwerkranke
Patienten (Phase C), bei denen das Rehabilitationsziel erst
erarbeitet werden muß, durch die verkürzte Kostenzusage und
die nach einer Behandlungswoche noch unvollständig zu
erkennenden Rehabilitationsziele aus dem Rehabilitationsprozeß
herausfallen.
2. Empfehlung zur ersten Kostenzusage bei Patienten der Phase C*)
Die erste Kostenzusage sollte bei neurologischen Patienten der Phase C mindestens 4 Wochen betragen.
Denn in der neurologischen Rehabilitation verläuft die Therapie in wichtigen Anteilen in aufeinander aufbauenden Stufen. Im Sinne des Wiedererlernens nach der Hirnschädigung werden zur Verbesserung der Funktionen zunächst basale Funktionen geübt und erst nach befriedigendem Fortschritt höhere Funktionen darauf aufgebaut.
Grundlage für die Festlegung der Rehabilitationsziele und die Abschätzung der Rehabilitationsfähigkeit sowie des Rehabilitationspotentials ist ein umfassendes neurologisches Reha-Assessment*) eines in der neurologischen Rehabilitation erfahrenen Facharztes für Neurologie und Psychiatrie (Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen bzw. Sozialmedizin), das zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wird. In Anbetracht der Komplexität der Funktionsstörungen nach einer Hirnschädigung (z.B. Sprachstörungen, Gedächtnisstörungen, motorische und sensorische Störungen) benötigt man für dieses Assessment in der Regel bis zu 10 Kalendertage. Ein erforderlicher Verlängerungsantrag über die erste Kostenzusage von vier Wochen hinaus kann daher nicht vor Abschluß der zweiten Behandlungswoche gestellt und begründet werden. Es ist erforderlich, die Entlassung mindestens eine Woche vorher zu planen.
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*) Vgl. Anlage 3
3. Reihenfolge der einzelnen Phasen der neurologischen Rehabilitation
Die Phaseneinteilung (A bis F) basiert auf der Klassifizierung des kurativmedizinischen, pflegerischen und rehabilitativen Aufwands. Ein chronologischer Ablauf wird durch diese Phaseneinteilung nicht vorgegeben. Entsprechend dem Krankheitsverlauf können auch Phasen (z.B. Phase B oder C) übersprungen werden. Der entgegengesetzte Verlauf, z.B. von den Phasen F oder E in Richtung der Phasen D, C, B oder sogar A ist bei fortschreitenden neurologischen Erkrankungen ebenfalls möglich.
4. Kriterienbezogene Fallgruppen in der Phase C
In der Phase C, wie sie in den BAR-Empfehlungen zur neurologischen Rehabilitation definiert ist, werden Patienten ähnlichen kurativmedizinischen, pflegerischen und rehabilitativen Aufwands eingruppiert. Abhängig von der zugrunde liegenden neurologischen Erkrankung und deren Aktualität bzw. Chronizität ist bei diesen Patienten mit unterschiedlichen Verläufen zu rechnen.
In der Phase C werden Patienten mit u.a. folgenden Krankheitsbildern rehabilitiert:
4.1 Neurologische Rehabilitation nach Krankenhausbehandlung bis zu 18 Monate nach Akutereignis
-
wegen eines Akutereignisses, z.B.
– Schädel-Hirn-Trauma
– Schlaganfall
– Hirnblutung
– Hirnentzündung
– Hirnabszeß
– neurochirurgische
Behandlung eines Hirntumors
– Guillain-Barré-Syndrom,
-
oder wegen einer akuten Verschlechterung einer chronischen Erkrankung, z.B.
– Multiple Sklerose
– chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
4.2 Neurologische Rehabilitation nach mehr als 18 Monate zurückliegendem Akutereignis
Die stationäre Rehabilitation dient der Ausschöpfung, ggf. der Überprüfung des Rehabilitationspotentials bei Patienten, die bisher keine adäquate Rehabilitation erhalten haben oder die einer erneuten Rehabilitation bedürfen.
Im Rahmen der in den BAR-Empfehlungen aufgeführten Rehabilitations-/Behandlungsziele der Phase C liegen folgende Behandlungsschwerpunkte vor:
– Funktions- und Fähigkeitsstörungen zu bessern,
– eine Behinderung zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten,
– Pflegebedürftigkeit zu beseitigen, zu bessern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.
4.3 Neurologische Rehabilitation bei chronisch fortschreitenden neurologischen Erkrankungen bei vorhandenem Rehabilitationspotential
(ohne vorausgegangene Krankenhausbehandlung), z.B.
– Multiple Sklerose (mit chronisch progredientem Verlauf)
– Parkinson-Syndrom
– neuro-degenerative Systemerkrankungen
– hirnatrophische Prozesse
– Myopathien.
Im Rahmen der in den BAR-Empfehlungen aufgeführten Rehabilitations-/Behandlungsziele der Phase C liegen folgende Behandlungsschwerpunkte vor:– Funktions- und Fähigkeitsstörungen zu bessern,
– eine Behinderung zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten,
– Pflegebedürftigkeit zu beseitigen, zu bessern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.
5 Behandlungsdauer bei den Fallgruppen5.1 Neurologische Rehabilitation nach Krankenhausbehandlung bis zu 18 Monate nach Akutereignis (Ziffer 4.1)
Die Empfehlungen der BAR zur neurologischen Rehabilitation in den Phasen B und C (Ziffer 3.2.5) sollten hier uneingeschränkt angewandt werden.
5.2 Neurologische Rehabilitation nach mehr als 18 Monate zurückliegendem Akutereignis (Ziff. 4.2) oder bei chronisch fortschreitenden neurologischen Erkrankungen (Ziff. 4.3)
In diesen Fällen wird in der Regel eine 4-8-wöchige stationäre Rehabilitationsbehandlung ausreichen. Eine länger als 8-wöchige stationäre Behandlung wird nur in seltenen, besonders gelagerten Einzelfällen erforderlich sein. Bei diesen Krankheitsbildern soll die stationäre Rehabilitationsbehandlung beendet werden, wenn bei ungestörtem Therapieverlauf über 2 Wochen kein funktioneller Zugewinn mehr erreicht werden kann. Dabei wird unter „funktionellem Zugewinn“ ein Behandlungsfortschritt bezüglich der verschiedenen individuellen Behandlungsziele der Phase C verstanden.
6. Übersicht über die medizinisch notwendige Behandlungsdauer bei den Fallgruppen in der Phase C*
Phase |
Akutereignis |
chronisch progrediente Erkrankung | |
Kurzbeschreibung | Neurologische Rehabilitation nach Krankenhausbehandlung bis zu 18 Monate nach Akutereignis | Neurologische Rehabilitation nach mehr als 18 Monate zurückliegendem Akutereignis | Neurologische Rehabilitation bei chronisch fortschreitenden neuroogischen Erkrankungen |
Behandlungsdauer | bis zu 6 Monate, bei
besonderer medizinischer Indikation und günstiger Prognose auch länger Abbruch, wenn in den letzten 8 Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist |
in der Regel 4-8 Wochen** Abbruch, wenn in den letzten 2 Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist |
in der Regel 4-8 Wochen Abbruch, wenn in den letzten 2 Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist |
Kostenzusage | Erste Kostenzusage: mindestens 4 Wochen | Erste Kostenzusage: mindestens 4 Wochen | Erste Kostenzusage: mindestens 4 Wochen |
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* Jeweils bezogen auf Rehaleistungen, die von spezialisierten, ausgewiesenen
neurologischen Reha-Fachkliniken ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich
erbracht werden.
** Falls in den 18 Monaten nach Krankenhausbehandlung keine adäquate Rehabilitation erfolgte, gelten die zeitlichen Vorgaben wie bei neurologischer Rehabilitation bis zu 18 Monate nach Akutereignis (Spalte 1).
7. Beendigung der Phase C
Die Phase C endet, sobald die sie charakterisierenden Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Dies bedeutet insbesondere, daß die Phase C endet, sobald die Voraussetzungen der Phase D oder F erreicht sind.
8. Geriatrische Rehabilitation
Hinsichtlich der geriatrischen Rehabilitation wird auf die Rahmenkonzeption zur Entwicklung der geriatrischen Rehabilitation in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 28. März 1995 verwiesen.
Anwendungshinweis zur leistungsrechtlichen Zuordnung der Phase C
vom 22. Juni 1998
1. Die Krankenversicherung erteilt der Rehabilitationseinrichtung eine vorläufige Kostenzusage für mindestens 4 Wochen, bis auf der Grundlage des neurologischen Reha-Assessments die Leistungsträgerschaft geklärt ist.
Bei Aufnahme der Patienten in die Phase C wird spätestens bis zum 10. Kalendertag nach Aufnahme im Rahmen einer sozialmedizinischen Begutachtung auf der Basis einer funktionalen Analyse ein klinisches neurologisches Reha-Assessment zur Beurteilung der Verlaufsprognose, der Erwerbsprognose, des Reha-Potentials, der Reha-Ziele sowie der Alltags- und Berufskompetenz des Patienten durchgeführt.
Wird hierbei eine positive Erwerbsprognose gestellt, übernimmt die Rentenversicherung bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen die Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme in der Phase C einschließlich des für das neurologische Reha-Assessment erforderlichen Begutachtungszeitraums.
- Kann im Rahmen des ersten Reha-Assessments eine positive Erwerbsprognose nicht gestellt werden, übernimmt die Krankenversicherung weiterhin die Kosten entsprechend der Ziffer 3.2.5 der BAR-Empfehlungen und den „Empfehlungen zur kriterienbezogenenen Dauer der Kostenbewilligung bei stationären neurologischen Rehabilitationsmaßnahmen von Patienten mit schweren und schwersten neurologischen Erkrankungen in der Phase C“*).
- In diesen Fällen wird während des Aufenthalts in der Phase C in regelmäßigen, dem Reha-Verlauf angemessenen Zeitabständen (z.B. im Zuge der Verlängerungsanträge) geprüft, ob aufgrund des Verlaufs eine positive Erwerbsprognose gestellt werden kann. Ab dem Zeitpunkt der Feststellung einer positiven Erwerbsprognose werden bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen die Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme in der Phase C von der Rentenversicherung übernommen.
- Wird eine positive Erwerbsprognose im Verlauf der Erkrankung negativ, führt dies zu einem Wechsel der Leistungsträgerschaft.
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*) Vgl. Anlage 2
Das neurologische Reha-Assessment und Hinweise zur Prognoseeinschätzung in der Phase C