Symbolbild eines heruntergewirtschafteten Krankenhauses Lizenz: CC-BY •
Im Juli dieses Jahres einigten sich Bund und Länder auf die Eckpunkte zur Krankenhausreform. Einer der essenziellsten Aspekte wird hierbei wohl das Kippen der nunmehr 20 Jahre alten Fallpauschale sein. „Das System der Fallpauschalen hat die Krankenhäuser zu stark ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Viele Krankenhäuser wären von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert.“, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Das Gesetz soll zum 01. Januar 2024 in Kraft treten. Doch viele BranchenvertreterInnen sprechen bereits jetzt von einer „allgegenwärtigen Insolvenzgefahr“ und befürchten, dass die Auszahlung der ersten Gelder aus der neuen Regelung zu spät kommen könnte.
Vorhaltepauschale statt Fallpauschale
Mit der Krankenhausreform soll das bisherige Modell der Fallpauschale abgeschafft werden. Die Regelung der Vergütung nach Diagnosis Related Groups (DRG) wurde seinerzeit von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingeführt. Hierbei erhalten die Krankenhäuser eine pauschale Summe anhand des Krankheitsbildes (ICD) der jeweiligen PatientIn. Dieses Modell wird seit seiner Einführung im Jahr 2003 massiv kritisiert. Auch wenn Kliniken soziale Einrichtungen sind, stellen sie gleichzeitig ein Wirtschaftsunternehmen dar. Somit verleitet die Fallpauschale zu ökonomischen Entscheidungen im Versorgungsprozess. Übermäßige Operationen (anderer ICD als konservativ) und Einsparungen bei Untersuchungen und Behandlungen, die nicht zusätzlich vergütet werden, sind die Konsequenz. Dies soll sich mit dem neuen Gesetz ändern.
Mit der sogenannten Vorhaltepauschale erhalten die Krankenhäuser eine Art Existenzgarantie. Dies ermöglicht den Kliniken eine wirtschaftliche Sicherung und gleichzeitig leitliniengerechtere Versorgung. Somit bestimmt wieder mehr die Behandlungsqualität statt -quantität. Das Ziel des BMG lautet: „PatientInnen können sich darauf verlassen, dass ihre Behandlung wirklich nötig ist und gut gemacht wird.“
Zu viele Kliniken erhöhen die Kosten
Die Vorhaltepauschale sollen laut dem Eckpunktepapier aber nur „notwendige Kliniken“ erhalten. 2022 existierten deutschlandweit 1.893 Krankenhäuser mit 480.382 Betten. Die Auslastung lag bei 69 Prozent. Ein gewisses Maß an Überschuss ist durchaus sinnvoll, wie uns die Pandemiejahre zeigten. Doch ein dauerhafter Leerstand von fast einem Drittel aller Betten ist wirtschaftlich untragbar. Das erhöht die Not der Krankenhäuser, übermäßige Operationen und andere überflüssige Maßnahmen durchzuführen.
Insolvenzen überall
Mit geschätzten fünf Milliarden Euro zusätzlich soll die Liquidität der Kliniken gesichert werden. Dennoch ist die Alarmstimmung damit nicht entschärft. Im niedersächsischen Holzminden befindet sich gerade die Klinik des gemeinnützigen Betreibers Agaplesion in der Insolvenz. Der Vorstandsvorsitzende der Agaplesiongruppe, Markus Horneber, sieht die Einrichtungen wirtschaftlich „so stark unter Druck wie noch nie.“ Und auch bundesweit ist die Zahl der Krankenhausinsolvenzen auf einem Allzeithoch. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) sind mittlerweile 28 Träger und 36 Häuser zahlungsunfähig. Im Verhältnis zu den rund 1.900 Kliniken aber nur ein kleiner Teil. Der Chef der DKG, Gerald Gaß, spricht dennoch von einer „allgemeinen Insolvenzgefahr“.
Allerdings bedeutet die Zahlungsunfähigkeit nicht zwangsläufig auch die Schließung. Viele Standorte können laut Rechtsanwalt Rainer Eckert (Berater in Klinik-Insolvenzverfahren) endlich Restrukturierungen umsetzen, die vorher nicht möglich waren. „Die Insolvenz ist in vielen Fällen dann sogar ein Segen“, so Eckert. Thomas Lemke, CEO der Sana Kliniken AG, sieht dies anders. Laut ihm finden sich in immer mehr Fällen keine Investoren, die retten können oder wollen.
Patientenversorgung gefährdet
Aktuell überleben laut Agaplesion-Chef Hornheber die Häuser mit höchster Liquidität. Wie diese Solvenz generiert wird – möglicherweise anspielend auf übermäßige Maßnahmen – und welche Qualität geboten wird, spiele laut ihm in diesem Prozess keine Rolle. Aber auch die Lage der Einrichtung scheint hierbei ein Problem zu sein. Ländliche Regionen sind deutlich benachteiligt. Doch genau solche Standorte sind unverzichtbar für eine ausreichende Patientenversorgung. Diese Problematik soll die Neustrukturierung durch die Krankenhausreform auflösen. Doch das erste Geld fließt höchstwahrscheinlich erst im Jahr 2027. Bis dahin könnten weitere Krankenhäuser in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, mahnt der Vorstandsvorsitzende. Und da die Gewinnaussichten in den meist kleineren ländlichen Kliniken geringer ausfallen, finden sich noch weniger InteressentInnen als Geldgeber für eine Rettung.
Desolate Krankenhäuser
Neben der ohnehin schon wirtschaftlich schweren Lage herrscht vielerorts auch noch zusätzlich ein großer Investitionsstau. Laut DKG wären rund 50 Milliarden Euro allein zur Sanierung nötig. Das Zehnfache der geplanten Zusatzausgaben des BMG für die Krankenhausreform. Außerdem herrscht aktuell branchenweit eine monatliche Deckungslücke von rund 500 Millionen Euro. Somit wächst der Schuldenberg konstant. Die steigenden Zinsen erschweren die Rückzahlung zusätzlich. Da es sich hier vor allem um laufende Kosten handelt, sichern sich die Banken mit noch höheren Zinssätzen ab.
Fazit
Die Reform kann das Versorgung von PatientInnen im Krankenhausbereich deutlich verbessern. Vor allem die Reduktion der übermäßigen Operationen könnte gleichzeitig das Gesundheitssystem massiv entlasten. Die Spekulationen der Branche, dass die Gelder für viele Kliniken zu spät kommen könnten, können bisher nicht mit klaren Zahlen dargestellt werden.
Das Gesetz soll zum 01. Januar 2024 in Kraft treten. Doch viele BranchenvertreterInnen sprechen bereits jetzt von einer „allgegenwärtigen Insolvenzgefahr“ und befürchten, dass die Auszahlung der ersten Gelder aus der neuen Regelung zu spät kommen könnte.
Vorhaltepauschale statt Fallpauschale
Mit der Krankenhausreform soll das bisherige Modell der Fallpauschale abgeschafft werden. Die Regelung der Vergütung nach Diagnosis Related Groups (DRG) wurde seinerzeit von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingeführt. Hierbei erhalten die Krankenhäuser eine pauschale Summe anhand des Krankheitsbildes (ICD) der jeweiligen PatientIn. Dieses Modell wird seit seiner Einführung im Jahr 2003 massiv kritisiert. Auch wenn Kliniken soziale Einrichtungen sind, stellen sie gleichzeitig ein Wirtschaftsunternehmen dar. Somit verleitet die Fallpauschale zu ökonomischen Entscheidungen im Versorgungsprozess. Übermäßige Operationen (anderer ICD als konservativ) und Einsparungen bei Untersuchungen und Behandlungen, die nicht zusätzlich vergütet werden, sind die Konsequenz. Dies soll sich mit dem neuen Gesetz ändern.
Mit der sogenannten Vorhaltepauschale erhalten die Krankenhäuser eine Art Existenzgarantie. Dies ermöglicht den Kliniken eine wirtschaftliche Sicherung und gleichzeitig leitliniengerechtere Versorgung. Somit bestimmt wieder mehr die Behandlungsqualität statt -quantität. Das Ziel des BMG lautet: „PatientInnen können sich darauf verlassen, dass ihre Behandlung wirklich nötig ist und gut gemacht wird.“
Zu viele Kliniken erhöhen die Kosten
Die Vorhaltepauschale sollen laut dem Eckpunktepapier aber nur „notwendige Kliniken“ erhalten. 2022 existierten deutschlandweit 1.893 Krankenhäuser mit 480.382 Betten. Die Auslastung lag bei 69 Prozent. Ein gewisses Maß an Überschuss ist durchaus sinnvoll, wie uns die Pandemiejahre zeigten. Doch ein dauerhafter Leerstand von fast einem Drittel aller Betten ist wirtschaftlich untragbar. Das erhöht die Not der Krankenhäuser, übermäßige Operationen und andere überflüssige Maßnahmen durchzuführen.
Insolvenzen überall
Mit geschätzten fünf Milliarden Euro zusätzlich soll die Liquidität der Kliniken gesichert werden. Dennoch ist die Alarmstimmung damit nicht entschärft. Im niedersächsischen Holzminden befindet sich gerade die Klinik des gemeinnützigen Betreibers Agaplesion in der Insolvenz. Der Vorstandsvorsitzende der Agaplesiongruppe, Markus Horneber, sieht die Einrichtungen wirtschaftlich „so stark unter Druck wie noch nie.“ Und auch bundesweit ist die Zahl der Krankenhausinsolvenzen auf einem Allzeithoch. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) sind mittlerweile 28 Träger und 36 Häuser zahlungsunfähig. Im Verhältnis zu den rund 1.900 Kliniken aber nur ein kleiner Teil. Der Chef der DKG, Gerald Gaß, spricht dennoch von einer „allgemeinen Insolvenzgefahr“.
Allerdings bedeutet die Zahlungsunfähigkeit nicht zwangsläufig auch die Schließung. Viele Standorte können laut Rechtsanwalt Rainer Eckert (Berater in Klinik-Insolvenzverfahren) endlich Restrukturierungen umsetzen, die vorher nicht möglich waren. „Die Insolvenz ist in vielen Fällen dann sogar ein Segen“, so Eckert. Thomas Lemke, CEO der Sana Kliniken AG, sieht dies anders. Laut ihm finden sich in immer mehr Fällen keine Investoren, die retten können oder wollen.
Patientenversorgung gefährdet
Aktuell überleben laut Agaplesion-Chef Hornheber die Häuser mit höchster Liquidität. Wie diese Solvenz generiert wird – möglicherweise anspielend auf übermäßige Maßnahmen – und welche Qualität geboten wird, spiele laut ihm in diesem Prozess keine Rolle. Aber auch die Lage der Einrichtung scheint hierbei ein Problem zu sein. Ländliche Regionen sind deutlich benachteiligt. Doch genau solche Standorte sind unverzichtbar für eine ausreichende Patientenversorgung. Diese Problematik soll die Neustrukturierung durch die Krankenhausreform auflösen. Doch das erste Geld fließt höchstwahrscheinlich erst im Jahr 2027. Bis dahin könnten weitere Krankenhäuser in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, mahnt der Vorstandsvorsitzende. Und da die Gewinnaussichten in den meist kleineren ländlichen Kliniken geringer ausfallen, finden sich noch weniger InteressentInnen als Geldgeber für eine Rettung.
Desolate Krankenhäuser
Neben der ohnehin schon wirtschaftlich schweren Lage herrscht vielerorts auch noch zusätzlich ein großer Investitionsstau. Laut DKG wären rund 50 Milliarden Euro allein zur Sanierung nötig. Das Zehnfache der geplanten Zusatzausgaben des BMG für die Krankenhausreform. Außerdem herrscht aktuell branchenweit eine monatliche Deckungslücke von rund 500 Millionen Euro. Somit wächst der Schuldenberg konstant. Die steigenden Zinsen erschweren die Rückzahlung zusätzlich. Da es sich hier vor allem um laufende Kosten handelt, sichern sich die Banken mit noch höheren Zinssätzen ab.
Fazit
Die Reform kann das Versorgung von PatientInnen im Krankenhausbereich deutlich verbessern. Vor allem die Reduktion der übermäßigen Operationen könnte gleichzeitig das Gesundheitssystem massiv entlasten. Die Spekulationen der Branche, dass die Gelder für viele Kliniken zu spät kommen könnten, können bisher nicht mit klaren Zahlen dargestellt werden.
Martin Römhild / physio.de
KrankenhausReform
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