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Wer schon einmal lokal betäubt wurde und zusehen durfte, wie an seinem Bein oder Arm operiert wurde, kennt diese seltsame Wahrnehmung. Der eigene Körperteil kommt einem in diesem Moment fremd vor - als ob er nicht zum eigenen Körper gehöre. Das liegt unter anderem daran, dass das Gehirn noch immer die Position gespeichert hat, welche die Gliedmaße vor der örtlichen Betäubung innehatte. Sobald die Wirkung der Anästhesie abklingt, ist der Spuk vorbei. Bei Menschen, die eine Verletzung des Rückenmarks oder einen Schlaganfall erlitten haben, geht die sogenannte Entfremdung der eigenen Gliedmaßen jedoch nicht vorüber. Denn eine solche Verletzung beeinträchtigt oder gar unterbricht die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper. Dies beeinflusst wiederum die Körperrepräsentation, also die anatomische Rekonstruktion des Körpers im Gehirn.
Denn Hirn und Gliedmaßen wie Arme, Beine, Füße oder Hände tauschen ständig Daten über Lage, Orientierung und Zustand aus, die sogenannten somatosensorischen Informationen. Selbst das Auge ist an der Körperwahrnehmung beteiligt. Das Gehirn seinerseits verarbeitet diese visuellen und somatosensorischen Informationen zu einem Bild des Körpers, das in der Großhirnrinde "gespeichert" wird. Unter Experten und Ärzten ist bis heute allerdings umstritten, ob und wie stark die Schädigung des Rückenmarks die Körperrepräsentation verändert. Die Studien, die dazu durchgeführt wurden, sind widersprüchlich.
Im Rahmen der ETH-Studie untersuchten Forscher mit Hilfe eines etablierten Tests, ob und wie sehr die Körperrepräsentation bei Querschnittgelähmten von derjenigen bei Gesunden abweicht. Dazu erarbeitete Erstautor Silvio Ionta während seines Forschungsaufenthaltes an der ETH Zürich eine Aufgabe, bei der den Probanden Bilder von fremden Körperteilen wie Fuß und Hand sowie Ganzkörperfotos gezeigt wurden. Die Probanden konnten ihre eigenen Hände und Füße während der Bildpräsentation nicht sehen, hielten diese aber entweder parallel zueinander oder gekreuzt.
Die Teilnehmer - darunter je elf mit kompletter oder mit teilweiser Durchtrennung des Rückenmarks sowie 16 Kontrollprobanden mit intaktem Rückenmark - mussten anhand der präsentierten Bilder die Körperseite der gezeigten Körperteile - respektive des Körpers - bestimmen. Die Bilder wurden außerdem in verschiedenen Orientierungen gezeigt. Die Forschenden maßen schließlich die Reaktionszeit zwischen Bildpräsentation und verbaler Antwort. "Mit diesem Test können wir indirekt auf objektive Weise abfragen, ob und wie Hirn und Gliedmaßen miteinander kommunizieren", sagt Professor Roger Gassert von der ETH Zürich.
Am schwierigsten war die Aufgabe für Probanden mit vollständiger Rückenmarksdurchtrennung. Für die Beurteilung der Lage und Orientierung des gesamten Körpers brauchten sie deutlich länger, nämlich bis zu 50 Prozent mehr Reaktionszeit als Probanden mit unversehrtem Rückenmark. "Je stärker das Rückenmark zerstört ist, desto größer ist die Reaktionszeit für die Beurteilung von Bildern des Körpers - umso stärker ist auch die Ganzkörperrepräsentation im Gehirn verändert", berichtet der ETH-Professor.
Das Gehirn nehme während des Betrachtens der Bilder unbewusst die eigene aktuelle Körperlage wahr, die wiederum die Beurteilung des Bildes beeinflusst. Sei das Rückenmark komplett durchtrennt, erhalte das Gehirn nur noch visuelle Reize. Gassert: "Die Körperrepräsentation ist somit gestört, und es fällt den Betroffenen schwerer, die gestellte Aufgabe zu lösen."
NUR / physio.de
GehirnStudieQuerschnittslähmung
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