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Heilmittelkatalog 2004: Muskelerkrankungen vergessen?

Später Protest. Pragmatische Lösungen.

26.07.2004 • 0 Kommentare

Vergessen oder Absicht? Patienten mit einer Muskelerkrankung erleben es dieser Tage wohl häufig. Der Arzt möchte ihnen die notwendigen physiotherapeutischen Behandlungen verschreiben, greift zum Rezeptblock und stutzt. Verloren blättert er im Heilmittelkatalog, ratlos klappt er ihn wieder zu. Weder ein Mensch mit einer Wirbelsäulen-, einer Extremitäten- oder einer klassisch-neurologischen Erkrankung sitzt da vor ihm. In keine Diagnosegruppe kann man die Muskelerkrankten mit gutem Gewissen einordnen. Schon am 18. Mai machte die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) auf diesen misslichen Umstand aufmerksam. Die Veröffentlichung der neuen Heilmittelrichtlinien im Bundesanzeiger erfolgte am 9. Juni, Zeit wäre also gewesen, diesen Lapsus zu korrigieren. Da mag es verwundern, dass der Landesverband Baden-Württemberg des ZVK am vergangenen Feitag Aktivitäten vermeldete: „Der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK) hat daher jetzt das Bundesgesundheitsministerium und den Gemeinsamen Bundesausschuss dazu aufgefordert, den Heilmittel-Katalog um eine weitere Ziffer ‚Sonstige 6 – Muskelerkrankungen’ zu erweitern.“ In tiefster Sommerferienzeit fast zwei Monate nach der amtlichen Bekanntmachung den Glauben erwecken zu wollen, diese Forderung hätte eine realistische Chance auf Umsetzung lässt wohl so manche Stirne runzeln.

Die betroffenen Ärzte im Austausch mit den Therapeuten haben das Problem längst pragmatisch gelöst:
Am unproblematischsten ist die Eingruppierung von neuromuskulären Erkrankungen, wie beispielsweise der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Sie gehören zu den Diagnosegruppen ZN1 oder ZN2 (altersabhängig). Alle anderen Muskelerkrankungen können entweder auch dort untergebracht werden (Leitsymptomatik b), Funktionsstörungen durch Muskeltonusstörungen) oder aber, wenn die Verordnung von einfacher KG ausreicht, bieten sich die Gruppen EX2 oder EX3 an (Erkrankungen mit Muskelbeteiligung). Typischerweise muss bei vielen Patienten auch Atemtherapie verordnet werden. Dies ist problemlos mit einer zweiten Verordnung mit der Diagnosegruppe AT2 möglich.

Das auf die Behandlung von Muskelerkrankungen spezialisierte sozialpädiatrische Zentrum der Berliner Charite handelt seit 1. Juli nach diesem Modell. Auch die DGM empfiehlt, so vorzugehen.

Vergessen oder Absicht? Im Heilmittelkatalog für die Ergotherapie sind die Muskelerkrankungen in einer eigenen Diagnosegruppe untergebracht. Die Problematik konnte also dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht so ganz unbekannt gewesen sein.

Peter Appuhn
physio.de

Hamburg

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