Eine Reform für die Versicherten – die Bundesgesundheitsministerin wird nicht müde den Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform als Wohltat für die Bürger zu feiern. Doch die glauben nicht so recht an die Versprechungen. Nur vier Prozent der Teilnehmer an einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen erwarten, dass sich die gesundheitliche Versorgung künftig verbessern wird. Dagegen rechnen 74 Prozent mit einer Verschlechterung. Noch düsterer sehen die Befragten die Kostenentwicklung. Drei Viertel der Bundesbürger fürchten, dass die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung steigen werden. Auf eine geringere Belastung ihres Budgets wollen nur sechs Prozent hoffen. Die Skepsis der Menschen scheint nicht unberechtigt. Mit einer Anhebung der Beitragssätze um durchschnittlich 0,8 Prozent rechnen die Krankenkassen für 2007. Noch schlimmer kommt es für die Versicherten der AOK Berlin. Auf über 18 Prozent könnten die Beiträge steigen.
Die geplante Kürzung der Steuerzuschüsse und die Erhöhung der Mehrwertsteuer belasten die Kassen mit 3,6 Milliarden Euro. Mit drei Milliarden Euro würden die Mehrausgaben für Medikamente und die stationäre Versorgung zu Buche schlagen, haben die Krankenkassen ausgerechnet. Hinzu kommen Schulden in Höhe von insgesamt vier Milliarden Euro, die bis Ende 2008 abgebaut werden müssen. Zusätzliche Kosten für neue Leistungen verschärfen die Finanzprobleme. So werden ab 1. April 2007 Mutter-Kind-Kuren, die Rehabilitation von alten Menschen und die Palliativersorgung zu Pflichtleistungen. Die Versicherten müssten sich auf Beitragserhöhungen von mindestens 0,8 Prozent einstellen, erklärten Kassenvertreter gestern nach der Sitzung des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Gesundheitsministerium hält dagegen an seiner Prognose fest, maximal 0,5 Prozentpunkte würde die Steigerungsrate betragen.
Das am vergangenen Freitag im Bundestag beschlossene Verfahren zum Schuldenabbau bringt die AOK Berlin in arge Bedrängnis. Die hochverschuldete Ortskrankenkasse gehört schon heute mit einem Beitragssatz von 14,6 Prozent zu den teuersten Krankenkassen. Müsste die Kasse ihren Schuldenberg mit eigenen Mitteln abbauen, "wäre der Erhöhungsbeitrag bei 5,7 Prozentpunkten", sagte Vorstandschef Rolf Dieter Müller nach einem Bericht der Illustrierten "Stern". Viele Mitglieder könnten dann eine andere Kasse suchen, was die Hauptstadtgesundheitskasse in die Pleite treiben würde. Deshalb werden die anderen Allgemeinen Ortskrankenkassen kaum umhin kommen, ihre klamme Berliner Schwester zu alimentieren. Das gerade verabschiedete Gesetz zur Schuldentilgung zwingt sie dazu. Krankenkassen der gleichen Kassenart dürfen ihre verarmten Kollegen nicht im Regen stehen lassen.
Die finanziell gut gepolsterten Ortskrankenkassen wollen den Geldhahn für ihre schmalbrüstigen Verwandten nicht sang- und klanglos aufdrehen. Rolf Steinbronn, Vorsitzender der AOK Sachsen, ruft seine Landesregierung zum Widerstand gegen die gemeinsame Schuldenhaftungsregelung auf. Auch der Chef der baden-württembergischen AOK, Rolf Hoberg, will das Portemonnaie festhalten. "Eigentlich müssten die Länder das Bundesverfassungsgericht anrufen", fordert er.
Mit den Karlsruher Verfassungsrichtern winken auch die Bundesverbände der Betriebs- und Innungskrankenkassen. Die Auflösung der bisherigen Spitzenverbände der Krankenkassen zugunsten eines einzigen Kassendachverbandes verstoße gegen das Grundgesetz, stellte der Verfassungsrechtler Rupert Scholz in einem gestern von den Bundesverbänden vorgestellten Gutachten fest. Der Dachverband bedeute eine "wettbewerbsbeschränkende Konzentration" und eine "Zentralisierung von Aufgaben", die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar seien. Es handele sich dabei "um einen einzigartigen Vorgang in der Rechtsgeschichte, der ohne Vorbild ist", erklärte der Jura-Professor und frühere Verteidigungsminister. Man gewinne den Eindruck, dass durch die Hintertür die Einheitskasse eingeführt werde, sagte Scholz.
Peter Appuhn
physio.de
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Die geplante Kürzung der Steuerzuschüsse und die Erhöhung der Mehrwertsteuer belasten die Kassen mit 3,6 Milliarden Euro. Mit drei Milliarden Euro würden die Mehrausgaben für Medikamente und die stationäre Versorgung zu Buche schlagen, haben die Krankenkassen ausgerechnet. Hinzu kommen Schulden in Höhe von insgesamt vier Milliarden Euro, die bis Ende 2008 abgebaut werden müssen. Zusätzliche Kosten für neue Leistungen verschärfen die Finanzprobleme. So werden ab 1. April 2007 Mutter-Kind-Kuren, die Rehabilitation von alten Menschen und die Palliativersorgung zu Pflichtleistungen. Die Versicherten müssten sich auf Beitragserhöhungen von mindestens 0,8 Prozent einstellen, erklärten Kassenvertreter gestern nach der Sitzung des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Gesundheitsministerium hält dagegen an seiner Prognose fest, maximal 0,5 Prozentpunkte würde die Steigerungsrate betragen.
Das am vergangenen Freitag im Bundestag beschlossene Verfahren zum Schuldenabbau bringt die AOK Berlin in arge Bedrängnis. Die hochverschuldete Ortskrankenkasse gehört schon heute mit einem Beitragssatz von 14,6 Prozent zu den teuersten Krankenkassen. Müsste die Kasse ihren Schuldenberg mit eigenen Mitteln abbauen, "wäre der Erhöhungsbeitrag bei 5,7 Prozentpunkten", sagte Vorstandschef Rolf Dieter Müller nach einem Bericht der Illustrierten "Stern". Viele Mitglieder könnten dann eine andere Kasse suchen, was die Hauptstadtgesundheitskasse in die Pleite treiben würde. Deshalb werden die anderen Allgemeinen Ortskrankenkassen kaum umhin kommen, ihre klamme Berliner Schwester zu alimentieren. Das gerade verabschiedete Gesetz zur Schuldentilgung zwingt sie dazu. Krankenkassen der gleichen Kassenart dürfen ihre verarmten Kollegen nicht im Regen stehen lassen.
Die finanziell gut gepolsterten Ortskrankenkassen wollen den Geldhahn für ihre schmalbrüstigen Verwandten nicht sang- und klanglos aufdrehen. Rolf Steinbronn, Vorsitzender der AOK Sachsen, ruft seine Landesregierung zum Widerstand gegen die gemeinsame Schuldenhaftungsregelung auf. Auch der Chef der baden-württembergischen AOK, Rolf Hoberg, will das Portemonnaie festhalten. "Eigentlich müssten die Länder das Bundesverfassungsgericht anrufen", fordert er.
Mit den Karlsruher Verfassungsrichtern winken auch die Bundesverbände der Betriebs- und Innungskrankenkassen. Die Auflösung der bisherigen Spitzenverbände der Krankenkassen zugunsten eines einzigen Kassendachverbandes verstoße gegen das Grundgesetz, stellte der Verfassungsrechtler Rupert Scholz in einem gestern von den Bundesverbänden vorgestellten Gutachten fest. Der Dachverband bedeute eine "wettbewerbsbeschränkende Konzentration" und eine "Zentralisierung von Aufgaben", die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar seien. Es handele sich dabei "um einen einzigartigen Vorgang in der Rechtsgeschichte, der ohne Vorbild ist", erklärte der Jura-Professor und frühere Verteidigungsminister. Man gewinne den Eindruck, dass durch die Hintertür die Einheitskasse eingeführt werde, sagte Scholz.
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