News - Fußball-Europameisterschaft 2004: Überlebenstraining für Fans

Fußball-Europameisterschaft 2004: Überlebenstraining für Fans

Britischer Physiotherapeuten-Verband warnt vor Schäden beim Fernsehpublikum. Physiotherapeutin gibt Tipps zur Schmerz- und Verletzungsvermeidung.

12.06.2004 • 0 Kommentare

Jeweils 11 Männer aus 16 europäischen Ländern werden sich von heute an wieder stellvertretend für alle anderen ihrer Gattung die Seele aus dem Leib hetzen. Hin und her werden sie laufen im sommerlichen Portugal auf getrimmten grünem Rasen. Alleiniger Zweck des Gerennes ist es, einen wild hin und her kullernden Ball in ein mit Netz bespanntes Gestell zu befördern. Die Tätigkeit wird nicht schlecht bezahlt und Bewegung an frischer Luft fördert die Gesundheit. Die Herren sind gut ausgebildet, nur mit den Manieren hapert es etwas, was zur Folge hat, dass kaum ein Fußballspiel ohne Verletzungen über die Bühne geht. Ärzte und Physiotherapeuten gehören deshalb zur Standardausrüstung und werden von den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt.

Soweit so bekannt. Was Sie vielleicht nicht wussten, das Millionenheer von Unterstützern der ballschiebenden Männer auf der Wiese ist weitaus mehr gefährdet Traumata und Schäden zu erleiden. Sammy Margo, die einzige weibliche Physiotherapeutin, die für einen professionellen britischen Fußballklub arbeitet, hat jetzt auf die Gefahren des passiven Fußballspielens am häuslichen Fernsehgerät hingewiesen. Volle drei Stunden dauert ein typischer Ballaustausch für den engagierten Fan im ausgeleierten Sessel, diagnostiziert die Therapeutin, Halbzeitpause und die anschließende Spielanalyse mitgerechnet. Das lange Stillsitzen, oder besser -hängen, verbunden mit fiebernder Anspannung ist Gift für Muskeln, Bänder und Bandscheiben. Schmerzhafte Beschwerden besonders der Hals- und Lendenwirbelsäule sind die Folge. Nicht selten leiden die bedauernswerten Fans noch lange nach dem Spiel an den Folgen ihres Einsatzes. „Post-match pain and injury“ nennt Sammy Margo das Syndrom. Nicht jeder Wohnzimmer-Spieler kann sich ein Mediziner- und Therapeuten-Team leisten.

Um diesem Umstand abzuhelfen, hat die Physiotherapeutin rechtzeitig zur Europameisterschaft einen Überlebensleitfaden – "Fans’ survival guide“ – geschrieben. Schon vor dem Spiel sollte der gesundheitsbewusste Europa-Enthusiast Kissen zurecht legen und Handtücher rollen, die später in hitziger Aktion die Wirbelsäule stützen helfen. Das TV-Gerät wird in die richtige Position gerollt, eine symmetrische Blickrichtung ist alles. Auch an bereits Geschädigte ist gedacht, sie sollten einen harten Stuhl bevorzugen oder auf dem Boden sitzen und das Sofa als Rückenlehne benutzen. Während des Spieles empfiehlt Margo, häufiger die Position zu verändern und aufrecht zu sitzen. Elfmeterschießen hält sie für eine der gefährlichsten Übungen für den heimischen Fußball-Helden. Die Anspannung führt unweigerlich zu muskulären Reaktionen. Die sicherste Position sei der Stand mit gebeugten Hüftgelenken verbunden mit tiefen Atemzügen. Die wichtigste Phase eines Fußballspiels ist die Halbzeitpause, Zeit für vielfältige Aktivitäten. Detaillierte Übungsanleitungen helfen dem um die Ehre der Nation Bangenden sich fit für den zweiten Teil des Spiels zu machen. Fällt ein Tor für die Seinen, sollte der Jubelnde nicht allzu abrupt aufspringen, gerade nach langem Sitzen birgt diese Aktion ein hohes Verletzungsrisiko. Selbst nach dem Spiel lässt die fürsorgliche Physiotherapeutin ihre fußballbegeisterten Landsleute nicht allein. Haben die eigenen Stellevertreter gewonnen, sollte man sich einen Ball schnappen und mit Freunden im Park ein kleines Spiel versuchen. Ist ein verlorenes Match zu beklagen werden körperliche Aktivitäten zum Aggressionsabbau empfohlen, beispielsweise Autowaschen.

Die Chartered Society of Physiotherapy, der britische Berufsverband, hat die kleine Broschüre in großer Auflage drucken lassen und an alle Fußballvereine im Land geschickt, die sie an ihre Fans verteilen.
Um in den Genuss dieses großartigen Werkes zu kommen, müssen Sie nicht eigens Mitglied in einem britischen Football Club werden.
Hier können Sie sich die Broschüre anschauen und herunterladen.

Peter Appuhn
physio.de

Stadtgrenze Köln

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