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Allgemein
Die Leitlinienkommission formulierte zu Beginn ihrer Arbeit fünf Schlüsselfragen. Bereits mit der ersten Frage rückten sie die nicht-operative Therapie in den Vordergrund. Die konservative Versorgung soll aus einem, idealerweise strukturierten, Bewegungstraining (Structured Exercise Training – SET) und komplexer medikamentöser Therapie (Best Medical Therapy) bestehen.
Alle Menschen mit einer erstmals diagnostizierten pAVK sollen eine SET+BMT-Versorgung über mindestens ein viertel bis halbes Jahr erhalten. Erst wenn dies nicht zu einer akzeptablen Verbesserung der Claudicatio führt, „kann eine Revaskularisation erwogen werden“. In diesem Kontext sollte die Bedeutung von einer „kann“-Empfehlung nochmals betont werden. Der Empfehlungsgrad „kann“ in Leitlinien ist von oben betrachtet erst die dritte Stufe. Ihr vorgelagert sind die stärkeren Empfehlungen „sollte“ (Stufe 2) und „soll“ (Stufe 1). Eine Fortführung der konservativen Therapie wird unabhängig der Primärversorgung empfohlen.
Die AutorInnen der Leitlinie betonen abschließend ausdrücklich die strukturelle Problematik in Deutschland. Es steht ein „unzureichender Ausbau von SET“-Angeboten zur Verfügung. Sie drängen darauf, „um der existierenden Evidenz gerecht zu werden“, beispielsweise Gefäßsportgruppen deutlich auszubauen.
HeilmittelerbringerInnen
Als Berufsgruppen mit Bewegung als Hauptinhalt sind die HeilmittelerbringerInnen eine primäre Zielgruppe der Leitlinie. Mit der höchstmöglichen „soll“-Empfehlung, einem Level of Evidenz (LoE) der Stufe 1 bis 2 und starkem Konsens der Leitlinienkommission wird dieser Gruppe ein großer Stellenwert zugeschrieben.
Die wissenschaftlichen Daten, die dieser Empfehlung zugrunde liegen, zeigen eine Wirksamkeit von gefäßspezifischem Bewegungstraining. Wichtige Endpunkte sind die Mortalität, Lebensqualität und der Erhalt der Extremitäten durch die Sicherung und Verbesserung der Durchgängigkeit der Gefäße. Unter dem Begriff des SET werden mehrere Ansatzpunkte beschrieben.
Gehtraining
Ein strukturiertes Gehtraining soll allen PatientInnen mit Claudicatio intermittens angeboten werden. Eine unstrukturierte Umsetzung ist weniger wirksam. Daher kann den Betroffenen nicht einfach nur die Empfehlung „gehen sie mehr spazieren“ gegeben werden. Vielmehr sollen TherapeutInnen das Training überwachen und an die individuelle Situation anpassen.
Häusliches Bewegungstraining
Ein zielorientiertes häusliches Bewegungstraining ist dem strukturierten Gehtraining gleichwertig. Es sollte dann erwogen werden, wenn überwachtes Gehtraining wie beispielsweise in einer Gefäßsportgruppe nicht möglich ist. Auch hierfür sind eine individuelle Beratung, Zielvereinbarung und Erlernen durch persönliche Betreuung empfohlen.
Arten des Bewegungstrainings
Es gibt viele Möglichkeiten ein strukturiertes Bewegungstraining anzubieten. Neben dem gezielten Gehtraining wären Radfahren, Krafttraining der unteren Extremität, Oberarm-Ergometer, Nordic Walking oder Kombinationen aus den genannten möglich. Auf dieser wissenschaftlichen Basis sollte das Programm an die entsprechenden Ressourcen, Wünsche und Vorlieben der Betroffenen angepasst werden.
Trainingsparameter
Je nach Ausprägung der Symptomatik und Ziel der PatientInnen sollten die Trainingsparameter individualisiert werden. Claudicatio-Schmerzen sind nicht als expliziter Abbruchgrund definiert. Die Adhärenz – die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene länger am Ball bleiben – ist bei schmerzadaptiertem Training rund sechs bis sieben Prozent höher, als wenn bis in den Schmerz gearbeitet wird.
Intensität
Sollte der Schmerz im Vordergrund stehen, dann empfiehlt sich eine niedrige bis moderate Intensität. Eine bestmögliche Steigerung der maximalen Gehstrecke erzielt man hingegen mit hoher Intensität. Anzumerken ist hier, dass in diesem Kontext eine niedrige Intensität eine tägliche Belastung von rund einer Viertelstunde im oberen Drittel der individuellen Leistungsfähigkeit bedeutet. Moderat sind bereits zwischen 30-45 Minuten und hohe Intensität entsprechend mehr als eine Dreiviertelstunde täglich.
Volumen
Das SET soll einen Umfang von mindestens dreimal wöchentlich einer halben bis ganzen Stunde haben. Bei Erstdiagnose empfehlen die AutorInnen anhand der aktuellen Literatur, dass mehr als drei Monate trainiert werden soll, bevor andere Interventionen in Betracht gezogen werden.
Mögliche klinische Ergebnisse
Das SET birgt die Chance die Lebensqualität und -erwartung der pAVK-Erkrankten deutlich zu steigern. Die schmerzfreie Gehstrecke kann durch eine strukturierte Behandlung verdoppelt bis verdreifacht, die maximale Gehstrecke sogar vervierfacht werden.
Neben den direkten Auswirkungen auf die betroffene Körperregion sind auch globale Effekte auslösbar, die wiederum die Gehstrecke verbessern. Beispielsweise sinkt der Sauerstoffverbrauch um durchschnittlich 15 Prozent, durch die Steigerung des allgemeinen Trainingszustandes.
Zusätzliche bewegungsbezogene Empfehlungen
Eine Empfehlung, zu der die Datenlage noch zu dünn ist, um einen Empfehlungsgrad zuzuweisen, wird als Statement gekennzeichnet. Hier herrscht nur ein Konsens im Leitlinienkomitee. Eines dieser Statements liegt zur Verwendung von Fitnesstrackern und -Apps vor. Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass die Nutzung solcher Tools als Begleiter der strukturierten Therapie dazu dienen kann, die Zielvorgaben besser zu erreichen.
Chancen und Hürden
Ein Drittel der Betroffenen ist nicht interessiert oder unwillig ein gezieltes Trainingsprogramm durchzuführen. Der zweithäufigste Grund ist die schlechte Abdeckung an Gefäßsportgruppen. Entweder sind sie zu weit entfernt oder die angebotenen Zeiten sind unpassend. Angesichts der vielfältigen Möglichkeit der Ausgestaltung eines wirksamen Trainings und der potenziellen Abdeckung an therapeutischen Einrichtungen sollten diese Hürden allerdings nicht auftreten, wenn neben dem Reha-Sport auch direkte Heilmittelverordnungen genutzt würden.
Martin Römhild B.Sc. / physio.de
pAVKLeitlinieBewegungstherapieTrainingHeilmittelerbringerGehen
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