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01.01.2025 – Arbeite im 45min
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Alle reden von der „Jobmaschine“ Gesundheitswesen, so wollte das Bündnis einen ganzen Tag lang die Realität analysieren, Standpunkte entwickeln und die Gesundheitspolitiker zu ihren Konzepten befragen. „Wachstumsmarkt Gesundheit“ war dann auch das Motto der Veranstaltung.
Die nackten Zahlen sind wahrlich beeindruckend, den über vier Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen stehen gerade einmal 800.000 Menschen gegenüber, die in der Automobilindustrie beschäftigt sind, 1,8 Millionen im Einzelhandel und 500.000 verdienen ihr Geld in der chemischen Industrie. Kein Beschäftigungszweig erreicht auch nur annähernd dieses gewaltige Beschäftigungspotential. Die Steigerungsraten sind so stürmisch wie die Frühlingsluft, die gestern mit Macht um die nahe Reichtagskuppel pfiff. Von 1980 bis 1996 hat sich die Zahl der Gesundheitsarbeiter von ehemals zwei Millionen auf vier Millionen verdoppelt. Verglichen mit dem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sind die Gesundheitskosten jedoch annähernd gleich geblieben. So betrug der Anteil der GKV-Ausgaben am BIP im Jahr 1980 5,84 Prozent, 20 Jahre später liegt die Marke gerade einmal bei 6,22 Prozent. Professor Eberhard Wille, Ökonom und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, räumte in seinem Vortrag dann auch recht eindrucksvoll auf mit der Mär von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Um 30 Prozent schwächer war die Beitragsentwicklung für jedes GKV-Mitglied verglichen mit dem Anwachsen des BIP – die Finanzmisere des Systems, ein Einnahmeproblem. Wille mochte keine Illusionen aufkommen lassen, auch bei einer deutlichen Konjunkturerholung würde es nicht zu wesentlichen Mehreinnahmen für die gesetzlichen Krankenversicherungen kommen. Die Beitragsbemessungsgrenze treibe Besserverdienende aus dem System, immer weniger Vollzeitbeschäftigte und die fortdauernde strukturelle Arbeitslosigkeit geben wenig Hoffnung auf sprudelnden Geldsegen. Doch auch die Ausgaben lassen sich in Zukunft kaum stabil halten, ein stark wachsender Rentneranteil an der Bevölkerung verheißt nichts Gutes für die leeren Kassen, zahlen die Alten doch weniger ein, verbrauchen andererseits aber ungleich mehr als ihre jüngeren Mitbürger. Nur auf die demographische Entwicklung bezogen müssten bei gleichen Leistungen, optimistisch gerechnet, die Kassenbeiträge in den nächsten zehn Jahren um vier Prozent steigen. Rechnet man die Kosten für den medizinischen Fortschritt mit ein, müsse man von einer Steigerungsrate von rund 15 Prozent ausgehen. Noch krasser sind die Aussichten, betrachtet man die Ausgaben für alle Zweige der Sozialversicherung gemeinsam. Nur demographisch gesehen müsse der Anteil an den Bruttogehältern auf 53 Prozent steigen, mit medizinischem Fortschritt auf satte 65 Prozent. Der Ökonom plädiert deshalb dafür, die Einnahmeseite „resistent“ gegen den demographischen Faktor zu machen. Eine Bürgerversicherung sei wenig hilfreich, die Mehreinnahmen lägen bei gerade einmal 0,7 Prozent. Die Kopfpauschale, er nennt sie lieber „kassenspezifischer Pauschalbeitrag“, sei wirkungsvoller um die Einnahmen in den Griff zu bekommen. Die Apologeten der Bürgerversicherung wollen auch Kapital- und Mieteinnahmen zur Beitragsberechnung heranziehen und die privaten Krankenversicherungen (PKV) abschaffen. Jeder Bürger wäre Mitglied des GKV-Systems. Die Befürworter von Kopfpauschalen dagegen ziehen einen einheitlichen Beitrag für alle vor, losgelöst von den bisherigen gehaltsbezogenen Beiträgen. Für Geringverdiener würden die Beiträge aus Steuermitteln unterstützt werden, das PKV-System bliebe erhalten.
In der anschließenden Podiumsdiskussion rangelten sich dann auch die Vertreter der politischen Parteien um das „richtige“ Modell. Gudrun Schaich-Walch, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion lobte zunächst die Gesundheitsreform – „ein guter und richtiger Weg“ – um dann recht vage für die Bürgerversicherung zu votieren, die Parteigremien würden es schon richten und einen Vorschlag entwickeln. „Ein politisch anspruchsvolles Konzept“ sieht die grüne Koalitionspartnerin Birgitt Bender in dem Bürger-Modell, nur so sei Gerechtigkeit und Solidarität zu erreichen. Erwartungsgemäß ganz anders sahen das die Vertreter der Opposition. Erfrischend der quirlige Dieter Thomae, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, der bei den drögen Regierungsdamen eiseskalte Mienen produzierte. Radikal sein Vorschlag, Basisversorgung für alle zum gleichen Preis, wer mehr haben will könne zusätzliche Leistungen privat versichern. Das stärke das „Preisbewusstsein“ der Patienten, sinnlose Ausgaben verringerten sich. Dem Sprecher der anderen Oppositionsgruppe, CSU-Mitglied Wolfgang Zöller, behagen beide Modell nicht so richtig. Von jedem etwas möchte er, die Abkoppelung der Beitragsberechnung von den Arbeitslöhnen hält er für unabdingbar zur Gesundung des Systems. Er will etwas gegen die Bürokratie tun, solange ein einziger Antrag auf Einrichtung eines Disease-Management-Programms 126 Ordner und acht Umzugskartons fülle sei etwas faul im System.
Das eigentliche Thema „Wachstumsmarkt“ wäre fast in Vergessenheit geraten, hätte nicht die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände, Ute Repschläger, den Faden wieder aufgenommen. Sie befürchtet, dass der Jobmaschine der Treibstoff ausgehe, würden doch im Heilmittelbereich als Folge der Gesundheitsreform schon massiv Arbeitsplätze wegfallen. Der Rückgang an Verordnungen seit Jahresbeginn sie gravierend. Allein im Land Brandenburg wären 30 Prozent weniger Rezepte ausgestellt worden als im Vorjahreszeitraum. Mit dem „Damoklesschwert“ Heilmittelrichtlinien sieht sie neue dunkle Wolken am Himmel auftauchen. Ein Licht am Horizont mag sie allenfalls für den Bereich der Prävention sehen. Die Diskussion um Bürger oder Kopf wollte Repschläger nicht aufgreifen, inzwischen sei die Problematik so kompliziert, dass allenfalls Wissenschaftler durchblicken könnten.
Wachstum im Gesundheitswesen – Politik und Leistungserbringer liegen ziemlich weit auseinander in ihren Vorstellungen. Die Abgeordneten können Steigerungsraten nur für die Bereiche erkennen, die außerhalb des gesetzlichen Systems liegen. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe dagegen erhoffen sich gerade Unterstützung von politischer Seite bei der Stabilisierung und Weiterentwicklung der Möglichkeiten der Sozialsysteme. Gertrud Stöcker vom Deutschen Berufsverband der Pflegeberufe zeigte vielleicht am deutlichten, wie tief die Gräben zwischen Politik und Branche sind. In Richtung des nicht weit entfernten Kanzleramts rief sie den Allmächtigen an. Wie weiland die bankrotte Baufirma Holzmann solle Er das Gesundheitswesen retten.
Einen schönen Ausblick gab der kundige Professor Wille, einen amerikanischen Kollegen zitierend, der goldene Zeiten prophezeite. Im Jahr 2030 würden die Gesundheitsausgeben 80 Prozent des BIP betragen und fast alle Menschen seien dann im Gesundheitswesen beschäftigt, und diese behandeln sich gegenseitig.
Fazit: Es wird auf jeden Fall teurer werden das Gesundheitssystem, woher das viele Geld kommen soll weiß aber niemand so recht.
Da trösten wir uns doch lieber mit Wilhelm Busch: „Ach, dass der Mensch so häufig irrt – und nie recht weiß, was kommen wird“.
Peter Appuhn
physio.de
GesundheitswesenSachverständigenrat
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