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Sozial hart im Einzelfall seien die seit Januar geltenden neuen Zuzahlungsregelungen, insgesamt aber „sozial abgefedert“, erklärte Ministeriumssprecher Klaus Vater vor der Bundespressekonferenz. Die meisten Befreiten, 4,3 Millionen Versicherte, sind chronisch krank. Sie haben ein Prozent ihres Einkommens für Zuzahlungen und Praxisgebühren ausgegeben. Eine halbe Million Menschen mussten zwei Prozent ihrer Einkünfte an die Krankenkasse abtreten bevor sie in den Genuss einer Befreiungsbescheinigung kamen.
Die deutschen Patienten haben sich in ihr Zuzahlungsschicksal ergeben. Nur 0,3 Prozent aller zur Zahlung Verpflichteten verweigerten die Begleichung der Praxisgebühr. 40 Prozent der 340.000 Nichtzahler wurden ambulant in Krankenhäusern behandelt, sie seien eigentlich keine Verweigerer, berichtet Roland Stahl, der Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Dort sei man häufig auf Barzahlungen gar nicht eingerichtet. Die Patienten würden dann automatisch als Nichtzahler eingestuft, auch wenn sie später ihre Rechnungen beglichen. Klaus Vater ist begeistert über die Zahlungsmoral der Patienten: „Jeder Handwerksmeister würde seinen Kunden die Füße küssen, wenn sie eine solche Zahlungsmoral an den Tag legten“.
Am 1. Januar 2005 fängt auch für die jetzt Befreiten eine neue Zeitrechnung an. Wieder heißt es Belege sammeln, zuzahlen und abwarten bis die persönliche Belastungsgrenze erreicht ist. Vermeintlich befreit sind nur Sozialhilfeempfänger, die in Heimen leben. Für sie zahlt das Sozialamt den Gesamtjahreszuzahlungsbetrag im Voraus (wir berichteten). In gleichen monatlichen Raten stottern Heimbewohner dann die Zuzahlung von ihrem Taschengeld ab.
Fast alle Krankenkassen bieten ihren Mitgliedern an, schon jetzt den erwarteten maximalen Zuzahlungsbetrag vorzustrecken. Im Gegenzug bekommen sie eine Befreiungsbescheinigung für das ganze Jahr 2005 ausgestellt. Ohne Zehn-Euro-Schein zum Arzt, keine Belege sammeln - auf den ersten Blick ein angenehmes Verfahren. Bedenken sollte man jedoch, dass man so seiner Krankenkasse einen zinsfreien Kredit gewährt. Und, wer weiß schon sicher, dass er seine Belastungsgrenze im nächsten Jahr überhaupt erreichen wird.
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) sieht die Vorabbefreiung mit Sorge. Das Ausgabevolumen der Ärzte wird sich erhöhen, befürchtet KVNo-Vorstand Leonhard Hansen. Bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen zählen nur die Kosten, die den Kassen durch das Verordnungsverhalten der Ärzte entstanden sind. Die Zuzahlungen werden abgezogen. Lassen sich Patienten nun durch Vorauszahlungen von der Gebührenpflicht befreien, hat der Arzt scheinbar höhere Kosten verursacht und die Gefahr eines Regresses steigt. Auch der mit der Zuzahlungsregelung beabsichtigte Steuerungseffekt ginge verloren, bemängelt Hansen. Das ungehemmte Ärzte-Hopping könnte wieder Realität werden.
Peter Appuhn
physio.de
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