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Zehn Kassen glänzen jetzt mit besonderer Dreistigkeit, sie nutzen die gesetzlich verordnete Verschiebung zur klammheimlichen Erhöhung ihrer Beiträge. Am Freitag werden sie ihre Beitragssätze erhöhen, um dann flink die vorgeschriebenen 0,9 Prozent wieder abzuziehen. So beträgt die Scheinsenkung bei der IKK Westfalen beispielsweise nur 0,6 Prozent, bei der BKK EVS und der BKK Schütte sogar nur 0,1 Prozent. Auch die Betriebskrankenkassen Logistik, Gruner und Jahr, BPW Wiehl, Technoform, Hochrhein-Wiesenthal und enercity wollen ihren Mitgliedern eine Blitzerhöhung zumuten. Immerhin 30 der insgesamt 254 gesetzlichen Krankenkassen aber haben sich zu einer wirklichen Absenkung entschlossen. Mit 1,3 Prozent fällt der Nachlass am deutlichsten bei der BKK Bergisch-Land aus.
Die in eine scheinbare Entlastung verpackte Beitragsanhebung können die Versicherten jedoch nutzen, um sich eine günstigere Krankenkasse zu suchen. Bei einer Erhöhung des Beitrages haben sie ein Sonderkündigungsrecht. Nach Auffassung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gilt dies auch, wenn der Anstieg gesetzlich verfügt ist. Spätestens im Monat nach der Erhöhung muss die Kündigung abgeschickt sein, bis zum 31. August kann man sich also Zeit lassen. Wer bereits länger als 18 Monate Mitglied bei seiner Krankenkasse ist, darf auch kündigen, ohne sich auf das Sonderkündigungsrecht berufen zu müssen. Momentan ist die IKK Direkt die bundesweit günstigste Krankenkasse mit einem Beitragssatz von zwölf Prozent. Einem noch tieferen Satz hatte das Bundesversicherungsamt seine Zustimmung verweigert.
Drei Millionen der über 70 Millionen sozialversicherten Patienten haben sich inzwischen immerhin einer Last entledigen können, sie sind bis zum Jahresende von allen Zuzahlungen befreit.
Vielleicht haben die pfiffigen Beitragserhöher einfach nur die Realität im Blick. Und die sieht düster aus, wenn man den Befürchtungen des Gesundheitsökonomen Matthias Graf von der Schulenburg von der Universität Hannover glauben will. Beitragssenkungen seien „eigentlich nicht zu verantworten“, erklärte der Ökonom in einem Interview mit der Zeitschrift „Focus-Money“, denn die Krankenkassen stünden kurz vor der Pleite. Die demographische Entwicklung und der medizinische Fortschritt schraubten die Kosten der Assekuranzen um jährlich vier Prozent in die Höhe. Nur bei einem - ziemlich unwahrscheinlichen - realen Wirtschaftswachstum von sechs Prozent könnten die Ausgabensteigerungen verkraftet werden. Leistungseinschränkungen seien deshalb unumgänglich. Es müsse definiert werden, was die Kassen in Zukunft bezahlen können. Noch traue sich aber niemand klare Kriterien festzulegen. Die Kassenmitglieder sollten sich schon einmal auf „mehr private Zusatzvorsorge“ einstellen.
Peter Appuhn
zuzahlung.de
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