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Auch wenn Therapie nicht primär der Bekämpfung des Symptoms Schmerz dienen sollte, spielt für viele Menschen eben dieser eine zentrale Rolle im Erleben einer Erkrankung. Qualitative Befragungen zeigen, dass Schmerz besonders dann zum Problem wird, wenn Patienten diesen nicht beeinflussen können, sie also über keine Coping-Strategien verfügen.
In der Physiotherapie werden seit langer Zeit schon nebenwirkungsarme Verfahren verwendet, um Schmerz zumindest kurzzeitig zu lindern. Wärme- und Kältebehandlungen, Strom und manuelle Therapien scheinen ihre Wirkung hauptsächlich im Nervensystem zu entfalten. Selbstwirksamkeit stellt einen der wichtigsten Faktoren im Kampf gegen persistierende Schmerzen dar. Daher zeigen Konzepte, die Coping-Verfahren auch ohne Therapeuten ermöglichen bessere Ergebnisse im Wiedererlangen der Lebensqualität als rein passiv applizierte Maßnahmen. Naturgemäß bestehen diese Strategien in der Physiotherapie aus Bewegungsmodifikationen oder Eigenbehandlungen durch Druck, thermischen Reizen oder Strom.
Neuromodulation ist vielseitig. Bekannte „Painkiller“
In den letzten 20 Jahren wurden bereits bemerkenswerte Studien zum Thema Schmerzmodulation veröffentlicht. So konnten Forscher zeigen, dass man nicht immer über den Tellerrand hinausschauen muss, um eine effektive Schmerzlinderung zu erfahren: Leckeres Essen wirkt sich nämlich positiv auf die Schmerzempfindung aus. Ebenfalls scheinen wohlige Gerüche oder sogar die Anwesenheit einer attraktiven Versuchsleiterin Einfluss auf das Schmerzempfinden (in diesem Fall eher bei Männern) zu haben.
Wenn also Schmerz auf mannigfaltige Art und Weise beeinflusst werden kann, liegt es nahe, einen Reiz zu untersuchen, der bekanntermaßen einen erheblichen Einfluss auf unsere Emotionen hat: die Musik.
Beethoven, Backstreet Boys oder Bushido?
Im Fachmagazin „The Lancet“ wurde bereits 2015 eine umfassende Meta-Analyse veröffentlicht, in der Effekte von Musik auf postoperativen Schmerz untersucht wurden. Es zeigte sich, dass Musik signifikant zu einer Reduktion von Schmerzen und auch Angstzuständen führte. Patienten, die nach einer Operation regelmäßig Musik hörten, nahmen durchschnittlich weniger Schmerzmedikamente ein, als Patienten, die keine Musik hörten. Der Krankenhausaufenthalt konnte durch das Hören von Musik allerdings nicht verkürzt werden.
Eine Reduktion von akuten Schmerzen ist ein zentrales Thema in der Zahnmedizin. Auf Angstpatienten spezialisierte Zahnärzte greifen daher seit einiger Zeit bereits zum Kopfhörer anstatt zum Betäubungsmittel. In Studien konnte belegt werden, dass das Hören von klassischer Musik positive Effekte auf Schmerz und das vegetative Nervensystem zeigt. Da allerdings nicht jeder Mensch ein Fan klassischer Musik ist, fragten sich Japanische Forscher, ob auch das Hören von Lieblingsmusik Auswirkungen auf das Schmerzerleben von Patienten hat. Die Ergebnisse wurden im Oktober 2020 im „Journal Of Pain Research“ veröffentlicht.
In ihrem Versuch wurden 30 Patienten Stromstöße auf ihrer Unterarminnenseite ausgesetzt. Um die Schmerztoleranz messbar zu machen, wurde die Stromintensität stetig erhöht. Bei Empfindung eines nicht mehr erträglichen Schmerzreizes drückten die Patienten einen Knopf, um den Strom zu stoppen. Dies wurde insgesamt sechsmal, in Abständen von jeweils einer Minute durchgeführt – zunächst ohne, dann mit der mitgebrachten Lieblingsmusik der Probanden auf den Ohren.
Bei acht Probandinnen untersuchte man zusätzlich die Hirnaktivität bei applizierten Stromreizen am Sprunggelenk mittels Funktions-MRT (fMRT). Dies geschah wieder mit und ohne Lieblingsmusik. Aus methodischen Gründen konnten nur wenige Probanden im fMRT untersucht werden. Das Gerät stand nur vormittags zur Verfügung, was zum Problem wurde, da ein Großteil der Probanden in dieser Zeit arbeiten musste. Aufgrund der japanischen Gesellschaftsstruktur wurden so nur Frauen untersucht.
Wie die Forscher bereits erwarteten, erhöhte die Musik die Schmerzschwelle am Unterarm und auch später am Sprunggelenk der Probanden. Frauen reagierten stärker auf die Schmerzmodulation als Männer, wobei hier die oben genannte Gesellschaftsstruktur eine Rolle spielen könnte. Im fMRT fokussierten sich die Forscher einzig auf den Anterioren Cingulären Cortex (ACC), der unter anderem für die emotionale Schmerzverarbeitung zuständig ist. Dieser zeigte bei fünf von acht Probandinnen eine verminderte Aktivität beim Hören ihrer Lieblingsmusik. Vermutlich konnten die drei Probandinnen, die keine Ergebnisse im lauten fMRT zeigten ihre Musik nicht hören. Ihre mitgebrachte Musik bestand aus ruhigen Balladen und klassischer Musik.
Die beste Art und Weise, seinen Schmerz zu modulieren: „Any Way You Want It“
Aufgrund der kleinen Probandenzahl und einer fehlenden Kontrollgruppe sollten Therapeuten die Ergebnisse der Studie nicht verallgemeinern. Für eine tatsächliche angewendete Therapiemethode reichen die Daten keineswegs aus. Allerdings lässt sich festhalten: Lieblingsmusik kann bei manchen Personen schmerzlindernde Effekte durch Aktivierung der schmerzhemmenden Bahnen haben. Und das wahrscheinlich durch positive Emotionen, die ebendiese auslöst.
Neben der offensichtlichen Möglichkeit, schmerzhafte Übungen in der Therapie mit der Lieblingsmusik des Patienten im Hintergrund durchzuführen, könnten Patienten zusätzlich an schlechten Tagen ihrem Schmerz mit Musik begegnen. Wenn sie denn positive Emotionen mit Musik verknüpfen. Da offensichtlich die Aktivierung des ACC eine bedeutende Rolle spielt, können Therapeuten die Frage eventuell auch noch offener gestalten, um das Endorphin-System des Patienten zu aktivieren: „Was macht Sie eigentlich glücklich?“
Daniel Bombien / physio.de
StudieSchmerzenMusik
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Ilja Roms schrieb:
Sehr coole Info! vielen Dank für deine Arbeit!
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