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Dr. Roy Kühne: Es gibt sicher bei diesen Temperaturen angenehmere Bekleidungen. Aber wir sind nun mal Volksvertreter und vertreten die Regierung. Dazu gehört nun auch ein gewisser Respekt vor dem Amt und damit auch eine entsprechende Kleiderordnung.
Jetzt zu den eigentlichen Themen unseres heutigen heutigen Gespräches. Es soll immer noch Physiotherapeuten geben, welche nicht wissen wer Dr. Roy Kühne ist. Könnten Sie sich bitte unseren Lesern kurz vorstellen?
Gerne. Name: Roy Kühne, 50 Jahre. Ich bin von Hause aus promovierter Sport- und Biologielehrer. Anschließend wurde ich Physiotherapeut, weil es mich gereizt hat, meine sportwissenschaftlichen Aspekte in die Physiotherapie einzubringen. Seit 1999 betreibe ich als selbstständiger Physiotherapeut ein Gesundheitszentrum in Northeim.
In die Politik kam ich als Quereinsteiger. Ich hab mich früher nie so massiv mit Bundespolitik beschäftigt, außer mit der Gesundheitspolitik natürlich. Aus diesem Interesse und den Herausforderungen, die uns Therapeuten logischerweise immer wieder begegnen, begann ich aktiv zu werden, statt mich immer nur am Stammtisch zu beschweren. Das ist der Grund warum ich jetzt in der Bundespolitik sitze.
Die Funktion die Sie unter anderem ausüben nennt sich: „Berichterstatter für Heilmittelerbringer der CDU/CSU Fraktion im Gesundheitsausschuss“. Habe ich das korrekt zitiert?
Ja, das haben Sie.
Wie würden Sie dem durchschnittlich politisch gebildeten Therapeuten erklären was ein Berichterstatter ist?
Als Berichterstatter haben Sie die Aufgabe für die Fraktion ein Thema aufzuarbeiten und dieses dann den Fraktionskollegen vorzustellen. Des Weiteren gehört auch dazu, - jetzt in meinem Falle - zusammen mit den Kollegen aus der Arbeitsgruppe Gesundheit Lösungsvorschläge für erkannte Probleme in diesem Fachgebiet zu entwickeln. Für die Fraktion stellen Sie sozusagen die fachliche Kompetenz in einem Thema dar.
Wie viel Einfluss hat eigentlich so ein Berichterstatter?
Als Berichterstatter haben Sie natürlich durch die Art und Weise ihrer Argumentation immer die Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Das kann natürlich positiv oder negativ gesehen werden. Die Herausforderung ist, ein Thema so tief zu beleuchten, dass die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion davon einen umfassenden Eindruck bekommen - auf dessen Basis sie schließlich auch entscheiden.
Kann man auch sagen, dass ein Berichterstatter die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion sensibilisieren kann für manche Themen aus dem Bereich der Heilmittelerbringer?
Ja genau. Meine Aufgabe ist es, die Kollegen aufzuklären und für Themen zu sensibilisieren.
Die Legislatur neigt sich so langsam dem Ende entgegen. Was waren Ihre persönlichen politischen Highlights die letzten vier Jahre?
Also, sicherlich das absolute politische Highlight war für mich die Durchsetzung des Gesetzes für die Heil- und Hilfsmittelerbringer (HHVG). Gerade weil dieses Thema all die Jahre zuvor nicht unbedingt im Fokus der Gesundheitspolitik stand, bin ich da sehr dankbar, dass wir dieses Thema auf die politische Agenda bringen konnten. Und den krönenden Abschluss bildete die Verabschiedung des HHVG.
Sie sprechen das HHVG schon an. Ich denke man kann Sie ohne Übertreibung einen der Väter des HHVG nennen. Wie ging es eigentlich weiter mit dem Gesetz? Verfolgen Sie Ihr Baby bei seinen ersten zarten Schritten?
Ich verfolge dies sehr sehr intensiv. Ich bin mit den Verbänden im Gespräch, treffe mich mit Therapeuten und fahre durch Deutschland und referiere zu diesem Thema. Außerdem bitte auch immer darum, wenn irgendwelche Sachen angegangen werden sollen, mir dies mitzuteilen.
Also ich suche den direkten Kontakt, denn nur dadurch bekomme ich auch mit, ob manche Sachen so laufen wie man sich das bei der Gesetzgebung vorgestellt hat, ob es in der Praxis umgesetzt und gelebt wird oder ob die Idee überhaupt praktizierbar ist.
Wenn ich das Gesetz mal in einem Bild zusammenfassen darf, dann hat der Gesetzgeber den Verbänden eine Tür aufgemacht durch die diese nun hindurchgehen müssen. Sind Sie im Bilde, ob dies die Verbände auch tun?
Ich glaube, dass es für die Verbände zunächst auch eine Herausforderung ist, sich mit dem Gesetz auseinander zu setzen. Sie arbeiten seit Jahren an dem, was wir jetzt durchgesetzt haben. Zum Beispiel: die Entkopplung der Grundlohnsumme, der Modellversuch und auch das Schiedsverfahren. Wir haben zusammen jetzt diesen Erfolg erreicht und das sollte man auch nicht schlecht reden.
Man sollte jetzt positiv nach vorne schauen und die Verbände motivieren, ihre Verantwortung auch wahrzunehmen. Das heißt, mit den Krankenkassen ins Gespräch kommen, gemeinsame Modelle entwickeln und dann für die Therapeutinnen und Therapeuten in Deutschland Gutes zu tun.
Machen das die Verbände zur Zeit auch? Haben Sie da einen Einblick?
Ich bekomme zur Zeit immer wieder Rückmeldung, dass sich verschiedenste Modellversuche - zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen - anbahnen. Natürlich muss man auch den Kollegen von den Verbänden ein bisschen die Luft lassen beim Entwickeln der Modelle. Das ist für sie auch ein neues Terrain. Trotzdem denke ich aber, man sollte nicht allzu viel Zeit verstreichen lassen, weil auch diese Modellphase begrenzt ist. Alles in allem habe ich aber den Eindruck, dass die Verbände auf einem guten Weg sind.
Meines Wissens streben Sie wieder ein Mandat im nächsten Bundestag an. Gesetzt den Fall der Wählerwille führt sie wieder in dem Gesundheitsausschuss, haben Sie ein Projekt von dem sie sagen: Daran möchte ich in der nächsten Legislaturperiode arbeiten?
Was mir am Herzen liegt, ist generell die Situation der Gesundheitsfachberufe. In Bezug auf die Therapeuten wird ganz klar die Ausbildungs- und Prüfungsordnung ein Thema sein. Das hat Hermann Gröhe auch schon gesagt. Wir wollen das Schulgeld – das müssen wir allerdings mit den Ländern absprechen – abschaffen. Es kann nicht sein, dass der eine eine Ausbildungsvergütung bekommt und der andere dafür zahlt. Und generell müssen wir überlegen, wie wir den Beruf der Therapeutinnen und Therapeuten attraktiver machen. Denn wir sehen ja an der Basis: es gibt kaum eine Praxis in Deutschland, die nicht einen Mitarbeiter sucht.
Was meinen Sie wenn Sie sagen, dass die Ausbildungs- und Prüfungsordnung „ein Thema sein wird"?
Wir wissen, dass knapp 50 % der Zertifikatspositionen im täglichen Behandeln vorkommen. Und wenn jemand circa 50 % seines Tätigseins nach der Ausbildung erst extern noch einmal dazu erlernen muss, dann ist das für mich nicht tragbar. Das ist ungefähr so, als wenn der Malermeister nach seiner Ausbildung anfängt, einen Tapezierlehrgang zu machen. Ich finde, das gehört einfach mit in die Ausbildung rein.
Sie streben also an, das Schulgeld abzuschaffen, die Ausbildungs- und Prüfungsordnung zu verändern...
Ja, und was wir zusätzlich noch verabschieden wollen, ist die Modellklausel . Es geht also um die Frage: Wie gehen wir mit den akademisierten Therapeuten um? Das ist ja auch wichtig. Die dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Herr Kühne, ganz anderes Thema. Es gibt Vorschläge der Stiftung Münch, den G-BA grundlegend zu reformieren. Wie stehen Sie zu diesen Vorschlägen?
Ich war bei der Präsentation der Münch-Vorschläge dabei. Und ich glaube, dass da auch im Rahmen des G-BA zukünftig einmal Veränderungen anstehen sollten. Die Leute, die bisher nicht drinsitzen, sollten auch Gehör finden – ich rede noch nicht über ein Mitbestimmungsrecht. Interessanterweise - das muss man einmal sagen - haben die Vertreter der Heil- und Hilfsmittel ja bereits ein Anhörungsrecht, sie werden nur nie gefragt. Dieses Paradoxon gilt es zu verändern, damit die Wertigkeit dieser Berufe auch angehoben wird.
Der Hintergrund meiner Frage war, dass der BvT bei seiner letzten Demonstration ein Mitbestimmungsrecht im G-BA gefordert hat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehen Sie nicht ganz soweit wie der BvT.
Also, das ist sicherlich eine Herausforderung, wenn man gleich von vornherein sagt: „Ich will ein Mitbestimmungsrecht im G-BA!“. Lassen Sie uns doch einen Schritt nach dem anderen machen. Jetzt schauen wir, dass wir die Anhörung bekommen und als nächstes dann die Mitbestimmung. Das ist ein Prozess. Wir sehen es ja bei der Pflege. Da hat das auch sehr lange gedauert. Und einen ähnlichen Prozess könnte ich mir auch bei den Heil- und Hilfsmittel vorstellen.
Ich nehme an, Sie haben die letzten vier Jahre etliche Akteure aus dem Gesundheitsbereich kennen lernen dürfen. Gibt es jemanden mit dem sie gerne noch mehr Zeit verbracht hätten?
Also, ich setze mich gerne mit den Kollegen aus dem Bereich der Gesundheitswirtschaft auseinander. Das sind z. B. die Krankenkassenvorstände oder auch die Vertreter des G-BA. Ich diskutiere gerne mit diesen offen darüber, welche Wertigkeit sie im Bereich der Gesundheitsfachberufe sehen. Ich glaube nämlich, dass darin sehr sehr viel Potenzial steckt, es aber teilweise von führenden Kassenvertretern aufgrund der geringen Beteiligung an deren Haushalt gar nicht richtig erkannt wird.
Herr Kühne, ich danke Ihnen für das Gespräch und möchte mit der Frage schließen: „Was darf ich Ihnen für die Zukunft wünschen?"
Gesundheit. Denn Gesundheit ist ein Gut, da können wir lange darüber diskutieren. Aber wenn man sie plötzlich nicht mehr hat, dann merkt man das sehr schnell und sehr deutlich.
In diesem Sinne: Auf Ihre Gesundheit!"
Das Gespräch mit Dr. Roy Kühne, MdB, führte Ende Juni Friedrich Merz von physio.de.
Die Sommerinterviews mit Dr. Roy Kühne MdB der anderen Jahre finden Sie hier:
• Sommerinterview 2021
• Sommerinterview 2020
• Sommerinterview 2019
• Sommerinterview 2018
SommerInterviewRoy Kühne2017Berufspolitik
Dem aufmerksamen Leser dieses Forums ist sicher nicht entgangen, dass es hierzu schon den einen oder anderen Gedanken gibt.
Ich fände es zum Beispiel sehr attraktiv, wenn ich besser verdienen würde.
Ebenso wären mehr Kompetenzen und damit mehr Unabhängigkeit toll.
Ein Sahnehäubchen wäre auch weniger bürokratischer Aufwand.
Und die Kirsche auf der Sahne wäre, wenn daraus auch bei der Bevölkerung ein höheres Ansehen unseres Berufs entstünde.
Gleichwohl wird ja immer noch das Bild des devoten ärztlichen Erfüllungsgehilfen gepflegt. Handlanger ohne Kompetenz, denen "Stemmübungen nach Brunkow" als Spezifizierung der Therapie aufs Rezept geschrieben wird.
Ich weiß ja nicht, wen Herr Kühne genau meint, wenn er vom Plural der ersten Person spricht.
Im Zeitalter aufkommender Telemedizin, von Fitness- und Gesundheits-Apps sehe ich die heutige Physiotherapie als den am leichtesten zu erstzenden medizinischen Beruf.
Dann wird es vielleicht wieder mehr Praxen geben, die keine Mitarbeiter suchen.
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springlukas schrieb:
„... generell müssen wir überlegen, wie wir den Beruf der Therapeutinnen und Therapeuten attraktiver machen.“
Dem aufmerksamen Leser dieses Forums ist sicher nicht entgangen, dass es hierzu schon den einen oder anderen Gedanken gibt.
Ich fände es zum Beispiel sehr attraktiv, wenn ich besser verdienen würde.
Ebenso wären mehr Kompetenzen und damit mehr Unabhängigkeit toll.
Ein Sahnehäubchen wäre auch weniger bürokratischer Aufwand.
Und die Kirsche auf der Sahne wäre, wenn daraus auch bei der Bevölkerung ein höheres Ansehen unseres Berufs entstünde.
Gleichwohl wird ja immer noch das Bild des devoten ärztlichen Erfüllungsgehilfen gepflegt. Handlanger ohne Kompetenz, denen "Stemmübungen nach Brunkow" als Spezifizierung der Therapie aufs Rezept geschrieben wird.
Ich weiß ja nicht, wen Herr Kühne genau meint, wenn er vom Plural der ersten Person spricht.
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